Das Jahr 2024 war geprägt von Hoffnungsschimmern und Ernüchterung. Die Anzahl der Personen, die neu an Long COVID erkranken, sinkt mit neuen Virusvarianten. Gleichermassen steigt jedoch die Durchseuchung, da mittlerweile kaum noch Schutzmassnahmen in Betracht gezogen werden.
Viele Menschen sind zurückgekehrt zur gewohnten Einstellung «Solange ich mit Neocitran, Aspirin etc. genügend fit bin zum Arbeiten, kann ich auch ins Büro» und gehen trotz Fieber unter Menschen, was das Infektionsrisiko in die Höhe treibt.
Auch wenn die Zahl der Neuerkrankungen augenscheinlich zurück geht (viele neue Fälle werden möglicherweise nicht als Long COVID erkannt, da nicht mehr getestet wird), gibt es noch viele Personen, die schon anfangs der COVID-19-Pandemie an Long COVID erkrankt sind und sich immer noch nicht erholt haben.
2024 hat sich in der Forschung einiges getan.
Es gab neue Lichtblicke…
Gleich zu Beginn des Jahres gab es spannende Neuigkeiten aus Zürich. Eine Arbeitsgruppe am USZ hat einen Zusammenhang zwischen Long COVID und dem Komplementsystem entdeckt, der zukünftig eine Diagnose über Biomarker ermöglichen könnte. Hier gibt es eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Interview mit dem Erstautor zu den Auswirkungen dieser Entdeckung.
Insgesamt wurden dieses Jahr einige Studien veröffentlicht, die dabei helfen können, die Erkrankung Long COVID besser zu verstehen. Darunter neue Erkenntnisse zur Rolle von Sexualhormonen, dem Umgang mit Geruchsstörungen oder der Dysregulation des Immunsystems bei Long COVID mit ME/CFS.
Im Mai dieses Jahres wurde von Experten aus dem D-A-CH-Raum ein Konsensus Statement zur Behandlung von ME/CFS veröffentlicht. Die umfassende Beschreibung bietet Fachpersonen Unterstützung für die Diagnose und Behandlung von ME/CFS, einer häufigen Ausprägung von Long COVID.
… und Ernüchterung
Neben den Lichtblicken gab es in diesem Jahr auch einige Rückschläge. Zwei sehr vielversprechende Studien mussten negative Ergebnisse berichten. Das Medikament Temelimab, das derzeit für die Behandlung von Multipler Sklerose verwendet wird, wurde bei Long COVID Patientinnen getestet. Im Juni 2024 wurde bekannt gegeben, dass kein Mehrwert gegenüber Placebo festgestellt werden konnte.
Ein weiterer sehr vielversprechender Kandidat war das Präparat BC 007 von Berlin Cures, das für die Behandlung von Long COVID entwickelt wurde. Auch dieses Medikament konnte leider keinen Vorteil gegenüber Placebo erreichen, wie im November 2024 kommuniziert wurde.
Auch gesellschaftlich gab es in der Schweiz Hoffnungsschimmer.
Die Bestrebungen, mehr Aufmerksamkeit für Long COVID zu generieren, tragen Früchte. So wurde das Thema dieses Jahr zweimal in der SRF Sendung Kassensturz aufgegriffen.
Im August 2024 wurde bei einem Roundtable mit dem BAG, Vertreterinnen der Schweizerischen Gesellschaft für ME/CFS, der FMH und der Vereine ME/CFS Schweiz und Long COVID Schweiz die Versorgungslage von Long COVID Betroffenen diskutiert. Es gab einen Konsens, dass eine nationale Strategie zur Verbesserung der Situation ins Leben gerufen werden muss.
Der Long COVID Betroffene Christian Salzmann konnte in diesem Frühjahr eine wegweisende Entscheidung des Bundesgerichts erreichen. In dem möglichen Präzedenzfall geht es über die Kostenübernahme der H.E.L.P Apharese, die Christian’s Gesundheitszustand nach eigener Aussage massgeblich verbessert hat. Seine Krankenversicherung hatte zuvor eine Kostenübernahme aufgrund mangelnder Evidenz für das Verfahren abgelehnt.
Es bleibt weiterhin eine Herausforderung, die Awareness für Long COVID zu stärken. Auch bei Fachpersonen gibt es immer noch grosse Lücken. Um diese weiter schliessen zu können, hat Altea zusammen mit der LUNGE Zürich ein Long COVID Symposium mit ca. 150 Schweizer Hausärzten und Hausärztinnen veranstaltet. In dem Symposium wurden alle Aspekte rund um die Diagnose und Behandlung von Long COVID von erfahrenen Spezialistinnen beleuchtet.
Wie geht es im neuen Jahr weiter?
Wir bei Altea sind auch nach 4 Jahren noch höchst motiviert Long COVID Betroffene und Fachpersonen mit Informationen rund um das Thema zu begleiten.
Nach Ablauf des COVID-19 Gesetzes auf Ende 2024, kann das BAG leider keine finanzielle Förderung für Altea mehr aufbringen. Einige Kantone haben sich jedoch dazu entschlossen Altea weiter zu fördern.
Der Bundesrat empfiehlt den Kantonen, auch weiterhin Informations- und Austauschplattformen zur Post-Covid-19-Erkrankung zu unterstützen.
Dank der Unterstützung folgender Kantone werden wir in der Lage sein Altea auch im Jahr 2025 fortzuführen:
- Basel-Stadt
- Graubünden
- Obwalden
- Schaffhausen
- Schwyz
- Solothurn
- Uri
- Zug
- Zürich
Mit Hilfe der vom BAG bereitgestellten Ressourcen konnten wir in den vergangenen Jahren ein grosses Netzwerk aufbauen, die Entwicklung der Informationsplattform mit zahlreichen Ratgebern, Stories und Blogs vorantreiben, ein moderiertes Forum aufrechterhalten und vieles mehr.
Mit den finanziellen Mitteln, die die genannten Kantone uns für 2025 bereitstellen, können wir den Betrieb der Altea Informationsplattform weiterhin aufrechterhalten, auch wenn wir auf die Weiterentwicklung der Plattform in Zukunft verzichten und den redaktionellen Umfang verkleinern müssen.
Wir bedanken uns herzlich bei allen Kantonen, die uns auch 2025 weiter unterstützen!
Wir möchten uns auch bei allen Betroffenen und Fachpersonen, die uns in diesem Jahr Ideen und Anregungen für insgesamt 67 Blogs und Stories geliefert haben, bedanken. Wir freuen uns besonders darüber, dass sich die Teilnahme im Altea Forum im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt hat. Im Forum wurden dieses Jahr mehr als 240 Themen diskutiert.
Mit einem grossen Dankeschön an alle, die Altea dabei helfen die Aufmerksamkeit für Long COVID nicht abklingen zu lassen verabschiedet sich die Altea Redaktion für 2 Wochen in die Winterferien.
Wir wünschen allen ein erholsames Jahresende und einen guten Start ins Jahr 2025. Wir hoffen, dass einige Long COVID Betroffene das Jahr besser abschliessen können als es vielleicht begonnen hat.
Wir erhoffen uns auch, dass die Forschung im nächsten Jahr neue Hoffnung bringen wird und gesellschaftliche Strukturen geschaffen werden, die allen Betroffenen von post-viralen Syndromen den Beistand bietet, den sie brauchen.
Euer Altea Team