Sexualhormone und Long COVID Pt 5: Testosteronspiegel korrelieren mit Immunphänotypen

Sexualhormone und Long COVID Pt 5: Testosteronspiegel korrelieren mit Immunphänotypen

Aus unserer Community: Diese neue Serie fasst die Auswirkungen von Long COVID auf die reproduktive Gesundheit und den Sexualhormonspiegel zusammen. Teil fünf erklärt vorläufige Daten zu der Rolle, die der Testosteronspiegel bei der Symptomlast von Long COVID bei allen Geschlechtern spielen könnte.

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Lesen Sie den vierten Teil  der Serie.

 

Im Mai 2024 zeigte ein wissenschaftlicher Preprint, dass der Testosteronspiegel bei Long COVID Patienten niedriger ist als bei gleichgeschlechtlichen Kontrollen.

Ein Preprint ist ein wissenschaftlicher Artikel, der noch nicht durch Peer Review zertifiziert wurde. Er berichtet über neue medizinische Forschungsergebnisse, die noch von Expertinnen bewertet werden müssen.

Vor der formellen Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift werden wissenschaftliche und medizinische Artikel traditionell durch einen Peer-Review validiert. Während des Peer-Reviews konsultieren die Herausgeber der Zeitschrift verschiedene Experten, die die Arbeit bewerten und Schwächen in ihren Annahmen, Methoden und Schlussfolgerungen identifizieren können. Eine Zeitschrift veröffentlicht einen Artikel in der Regel erst, nachdem die Herausgeber davon überzeugt sind, dass die vorgelegten Daten die Schlussfolgerungen stützen. Da dieser Prozess langwierig sein kann, stellen Autorinnen ihre Manuskripte manchmal als "Preprints" zur Verfügung, bevor sie einem Peer-Review unterzogen werden, sodass andere Wissenschaftler die Ergebnisse sofort sehen, diskutieren und kommentieren können. Bei Preprints ist das im ersten Teil dieser Serie erwähnte Konfidenzniveau  recht niedrig.

 

Symptomunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Long COVID Patienten

In einem ersten Schritt analysierte die Studie die von Patienten berichtete Symptomlast bei 101 Personen mit Long COVID (69 weiblich, 32 männlich) im Vergleich zu 82 Kontrollen (58 weiblich, 24 männlich). Beide Geschlechter berichteten über verbreitete Symptome wie Schlafstörungen und Müdigkeit. Weibliche Teilnehmer hatten jedoch eine höhere Gesamthäufigkeit von Symptomen, die sich über mehrere Organsysteme erstreckten, einschließlich Veränderungen der Körpertemperatur, Husten sowie neurologische und neurokognitive Symptome wie Kopfschmerzen und Verwirrtheit. Darüber hinaus war Haarausfall ein Symptom, welches hauptsächlich von Frauen berichtet wurde. Männer hingegen schienen häufiger an sexueller Dysfunktion zu leiden, wie Beobachtungen im dritten Teil dieser Serie bereits nahelegten. Im Allgemeinen hatten Frauen mit Long COVID eine größere Symptomlast als Männer.

Darüber hinaus berichteten Frauen mit Long COVID über mehr Schmerzen, höhere Auswirkungen auf ihre allgemeine Gesundheit und höhere neurologische Auswirkungen, während Männer über grössere Auswirkungen auf die Stimmung und höhere Raten von Unwohlsein nach Anstrengung berichteten. Die weiblichen und männlichen gesunden Kontrollgruppen zeigten keine solchen Unterschiede.

 

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Symptomlast bei männlichen vs. weiblichen Long COVID Patienten (Quelle: Silva et al.)

 

Geschlechtsspezifische immunologische Merkmale bei Long COVID

Als nächstes analysierten die Autoren Immunzellen und immunologische Marker in Blutproben aller vier Gruppen (männlich/weiblich Long COVID vs. männlich/weiblich gesunde Kontrolle). Risikofaktoren wie fehlende Impfungen sind bekannte Prädiktoren für eine höhere Long COVID Symptomlast. Die Studie versuchte, zusätzliche prädiktive Faktoren direkt im Blut der Patienten zu identifizieren. Sie trainierten Modelle für maschinelles Lernen, um immunologische und hormonelle Prädiktoren zu identifizieren. Diese Schlüsselprädiktoren wurden dann verwendet, um weibliche und männliche immunologische Merkmale bei Long COVID Patienten vorherzusagen.

Frauen mit Long COVID zeigten unter anderem eine Zunahme der T-Zell-Erschöpfung und andere Faktoren, die auf aktive Immunprozesse wie Entzündungen und die Aktivität des Komplementsystems hindeuten. Im Vergleich zu weiblichen Kontrollen waren die Antikörperspiegel gegen SARS-CoV-2 sowie die Antikörperaktivität gegen EBV erhöht. Zu den bemerkenswertesten Hormonveränderungen gehörte eine Herabregulierung von Testosteron und Östradiol.

Männer mit Long COVID zeigten auch höhere Antikörperspiegel gegen SARS-CoV-2, aber Veränderungen in anderen Immunzell-Subpopulationen als Frauen. Im Vergleich zu ihren gesunden Kontrollen waren die Östradiol- und Testosteronspiegel gesenkt, während der Insulin- und Oxytocinspiegel höher zu sein schien.

Unabhängig vom Geschlecht war der Cortisolspiegel (ein Hormon, das eine wichtige Rolle bei Stressreaktionen spielt) bei Long-COVID-Patienten gesenkt.

Bei der Einstufung aller Faktoren in ihrer Fähigkeit, geschlechtsspezifische Long COVID Subtypen vorherzusagen, war Testosteron der wichtigste Prädiktor. Diese Beobachtung galt sogar für die gemeinsame Analyse aller Patienten. Das bedeutet, dass Testosteron in der Lage war, die Symptombelastung unabhängig von der Geschlechtsbezeichnung eines Patienten vorherzusagen.

 

Dieser Preprint legt nahe, dass Sexualhormone, insbesondere Testosteron, bei der Behandlung und Diagnose von Long COVID berücksichtigt werden sollten. Neben der Begutachtung dieser Studie ist jedoch eine Validierung dieser Daten erforderlich. Die Studie identifizierte Prädiktoren auf der Grundlage eines maschinellen Lernmodells. Ob diese Vorhersagekraft in der klinischen Praxis zutrifft, bleibt abzuwarten.

 

Dieser Beitrag schließt die Serie "Sexualhormone und Long COVID" vorerst ab. Wir werden sie fortsetzen, sobald weitere Daten verfügbar sind.

Haben Sie eines der erwähnten Symptome oder hormonellen Veränderungen beobachtet? Diskutieren Sie mit anderen Mitgliedern unserer Community im Altea-Forum.