Studien belegen mögliche Epstein-Barr-Virus-Reaktivierung durch Long COVID

Studien belegen mögliche Epstein-Barr-Virus-Reaktivierung durch Long COVID

Mehrere klinische Studien deuten darauf hin, dass die Epstein-Barr-Virus-Reaktivierung durch eine SARS-CoV-2-Infektion einige Long-COVID-Symptome erklären kann, die nach der Genesung von COVID-19 bei bis zu 30 % der Patienten auftreten.

Drei Jahre nach der Covid-19-Pandemie sind die Ursachen von Long COVID immer noch nicht vollständig erforscht. Eine Theorie besagt, dass bei einer akuten SARS-CoV-2-Infektion das Immunsystem geschwächt wird und Viren, mit denen der Mensch in aller Regel dauerhaft, aber folgenlos infiziert ist, nicht mehr unter Kontrolle halten kann. Eines dieser Viren ist das Epstein-Barr-Virus, kurz EBV, mit dem über 95 % der gesunden Erwachsenen im inaktiven Zustand infiziert ist. Bei Stress, zum Beispiel bei einer Infektion mit einem anderen Virus, kann EBV reaktiviert werden.

Diese EBV-Reaktivierung kann verschiedene klinische Symptome hervorrufen, darunter Fatigue, Gedächtnisverlust, Schlafstörungen, Gelenksteifigkeit, Halsschmerzen, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber, gastrointestinale Komplikationen und Hautausschläge. Viele dieser Symptome sind denen, die bei Long-COVID-Patientinnen und -Patienten berichtet werden, sehr ähnlich oder sogar dieselben. Im Folgenden werden die wichtigsten klinischen Studien zur EBV-Reaktivierung bei Patienten mit Long COVID vorgestellt.

Viele Long-COVID-Symptome könnten die Folge einer entzündungsinduzierten EBV-Reaktivierung durch COVID-19 sein.

Mehrheit der Patienten mit reaktivierter EBV-Infektion

Bereits 2021 deuteten Ergebnisse aus zwei kleineren Studien darauf hin, dass die EBV-Reaktivierung eine Ursache für schwerere akute COVID-19-Verläufe und Long-COVID-Symptome sein könnte. Bei der ersten Studie mit 67 Teilnehmenden, die an COVID-19 erkrankt waren, stellten die Forschenden fest, dass Personen mit einer reaktivierten EBV-Infektion (ca. 55 % aller Teilnehmenden) häufiger an Fieber und Entzündungen litten als Probanden, bei denen es nicht zu EBV-Reaktivierung gekommen war. Bei anderen Symptomen bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, obwohl die Erholungszeit bei Probanden mit reaktivierter EBV-Infektion, die ausserdem häufiger Sauerstoffinhalationen benötigten, etwas länger war.

In der zweiten Studie wiesen zwei Drittel der Teilnehmenden (20/30) mit Long COVID, aber nur 10 % der Personen (2/20) ohne Long COVID eine reaktivierte EBV-Infektion auf. Die häufigsten Symptome bei den Probanden mit EBV-Reaktivierung waren Fatigue, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Verwirrtheit. Eine genauere Analyse dieser Studie ergab zudem, dass die EBV-Reaktivierung zum Zeitpunkt oder kurz nach der Ansteckung mit SARS-CoV-2 auftrat.

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(Bild: Adobe Stock) 

Zusammenhang zwischen EBV-Reaktivierung und Fatigue

Nach einer neuen österreichischen Studie könnte auch die EBV-Reaktivierung die Entwicklung von Fatigue erklären, die zu den häufigsten Symptomen von Long COVID gehört. Bei dieser Analyse wurden 30 Probanden mit Long COVID-Fatigue und 20 Probanden, die sich nach Covid-19 vollständig erholt hatten, 7 bis 9 Monate (Median) nach Beginn der akuten SARS-CoV-2-Infektion auf EBV getestet. Eine EBV-Reaktivierung wurde bei 50 % der Studienteilnehmenden mit Fatigue und 20 % der Studienteilnehmenden ohne Symptome festgestellt.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine EBV-Reaktivierung bei einigen Patienten zu Long COVID-Fatigue führen könnte. Die Autoren heben jedoch hervor, dass weitere und umfassendere Studien nötig sind, um diesen Zusammenhang zu klären.

Zur Klärung der Ergebnisse sind weitere und umfassendere Studien erforderlich.

EBV ist ein Faktor für die Prognostizierung von Long COVID

Die Ergebnisse dieser kleineren Berichte konnten durch grössere Studien unterstützt werden. Eine kürzlich durchgeführte Studie untersuchte Symptome von Long COVID und das Vorhandensein von EBV bei 280 Teilnehmenden mit SARS-CoV-2-Infektionen, davon 208 mit Long COVID. Bei Probanden mit EBV-Reaktivierung traten Fatigue und neurokognitive Symptome vier Monate nach der Covid-19-Diagnose deutlich häufiger auf. Ein enger Zusammenhang mit anderen typischen Symptomen von Long COVID wie Herz-Lungen-Problemen oder Magen-Darm-Komplikationen wurde nicht beobachtet. Interessanterweise weisen die Studienautoren darauf hin, dass diese Befunde nicht direkt belegen, dass eine EBV-Reaktivierung Long-COVID-Symptome verursacht, weil auch einige Teilnehmende ohne Anzeichen einer EBV-Reaktivierung entsprechende Symptome entwickelten.

Sie vermuten, dass es noch viele weitere Ursachen für Long-COVID-Symptome geben dürfte, zum Beispiel SARS-CoV-2, das im Körper verbleibt und das Immunsystem weiter schädigt.

Es gibt derzeit keine speziell für die Behandlung von Patienten mit EBV-Reaktivierung zugelassene Therapie.

Eine weitere umfangreiche Long-COVID-Studie gehört zu den ersten Untersuchungen, die die Ursachen der Erkrankung experimentell belegt. Die Ergebnisse wurden in der viel zitierten, renommierten medizinischen Fachzeitschriften Cell veröffentlicht. Bei dieser komplexen Analyse wurden 309 COVID-19-Patienten von der Erstdiagnose bis zu einem Zeitpunkt 2 bis 3 Monate später untersucht und die EBV-Virämie (Virus im Blut vorhanden) zum Zeitpunkt der Erstinfektion als Risikofaktor für die Entwicklung von Long COVID identifiziert. Weitere Risikofaktoren, die mit dieser Studie bestätigt wurden, waren Typ-2-Diabetes, SARS-CoV-2-Virämie und das Vorhandensein bestimmter Autoantikörper.

Da eine EBV-Reaktivierung zu Beginn einer akuten COVID-19-Erkrankung nachweisbar ist, schlossen die Forschenden, dass eine antivirale Therapie in frühen Krankheitsstadien für die Behandlung einer akuten COVID-19-Infektion und die Linderung späterer Long-COVID-Symptome vorteilhaft sein kann. Allerdings braucht es gut kontrollierte Studien, um zu überprüfen, ob antivirale Mittel die Symptome von Long COVID reduzieren können.