Hintergrund: Gefässalterung und Pulswellengeschwindigkeit
Um den Einfluss einer COVID-19-Infektion auf die Gefässgesundheit zu untersuchen, messen Forscher die so genannte Pulswellengeschwindigkeit (PWV). Die PWV gibt an, wie schnell die Pulswelle vom Herzen durch die großen Arterien wandert. Je schneller die Pulswelle, desto steifer sind die Gefässe. Hohe Steifigkeit ist ein Zeichen für vorzeitiges Altern der Gefässe. Das bedeutet, die Blutgefässe verlieren an Elastizität und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigt.
Das Studiendesign
Die sogenannte CARTESIAN-Studie ist eine gross angelegte, multizentrische Kohortenstudie mit 2390 Teilnehmenden aus 16 Ländern. Die Personen wurden in Studiengruppen eingeteilt: Eine Gruppe war nie an COVID-19 erkrankt und drei weitere Gruppen wurden nach der Schwere ihrer COVID-19-Erkrankung unterteilt (keine Hospitalisierung, normale Krankenhausbehandlung, Intensivstation). Die Pulswellengeschwindigkeit wurde jeweils etwa sechs und zwölf Monate nach der Infektion gemessen.
Wichtige Ergebnisse
Die Forschenden konnten zeigen, dass insbesondere Frauen aus den COVID-19-Gruppen eine höhere Pulswellengeschwindigkeit aufwiesen als die Teilnehmerinnen in der Kontrollgruppe ohne Infektion. Dies deutet auf eine beschleunigte Gefässalterung nach einer COVID-19-Erkrankung hin. Bei den männlichen Studienteilnehmern konnte hingegen kein signifikanter Unterschied in der Gefässsteifigkeit zwischen den einzelnen Gruppen beobachtet werden.
COVID-19-Impfung könnte zum Schutz vor Gefässschäden beitragen
Zudem hatten Frauen mit anhaltenden Long COVID-Symptomen eine noch höhere Pulswellengeschwindigkeit als symptomfreie Patientinnen. Nach zwölf Monaten stabilisierte sich die Pulswellengeschwindigkeit bei den Teilnehmerinnen in den COVID-19-Gruppen oder ging sogar leicht zurück.
Die Studie legt ausserdem nahe, dass die Impfung gegen COVID-19 mit einer geringeren Gefässsteifigkeit bei Frauen verbunden ist, was einen möglichen Schutz vor Gefässschäden nahelegt.
Bedeutung und Limitationen
Die Erkenntnisse der CARTESIAN-Studie sind ein wichtiger Schritt, um die kardiovaskulären Langzeitfolgen von COVID-19 besser zu verstehen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass COVID-19 das Gefässsystem beeinträchtigen kann, was besonders bei Frauen relevant sein könnte. Dies erklärt möglicherweise, warum Long COVID häufig mit anhaltenden Symptomen und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht.
Weitere Forschung notwendig
Gleichzeitig ist die Studie zurückhaltend in ihren Aussagen: Es handelt sich um Beobachtungsdaten, die Zusammenhänge, jedoch keine direkten Ursachenbeweise liefern. Weitere Forschung ist notwendig, um die Mechanismen der Gefässveränderungen zu klären und um festzustellen, welche Rolle unterschiedliche Virusvarianten, wiederholte Infektionen oder Therapien spielen.
Was bedeuten die Ergebnisse für Betroffene?
Für Personen mit Long COVID sind diese Erkenntnisse bedeutsam, da sie verdeutlichen, dass eine regelmässige medizinische Kontrolle, insbesondere der kardiovaskulären Gesundheit, sinnvoll sein kann. Fachärztliche Untersuchungen, die auch die Gefässsteifigkeit messen, können helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu treffen.
Nutzen für die Medizin und Forschung
Die CARTESIAN-Studie bietet eine wertvolle Grundlage, um Patientinnen und Patienten mit Long COVID besser zu überwachen und individuell zu betreuen. Die Messung der Pulswellengeschwindigkeit könnte helfen, Gefässveränderungen frühzeitig zu erkennen. Für die Forschung stellt die Studie einen Meilenstein dar, der weitere Untersuchungen zur Pathophysiologie von Long COVID und potenziellen Therapieansätzen ermöglicht.