Mit Geduld und Hoffnung Schritt für Schritt nach vorne

Mit Geduld und Hoffnung Schritt für Schritt nach vorne

In drei Jahren mit Long COVID hat Karin M. gelernt, sich auf das zu konzentrieren, was wieder geht – statt auf das, was noch nicht geht. Sie macht auch heute noch konstant Fortschritte und hat den Weg zurück ins Leben gefunden.

Als Karin M. im April 2021 an COVID-19 erkrankte, verlief die Infektion zunächst mild. Einige Tage lang fühlte sie sich müde, doch danach schien es ihr wieder besser zu gehen. Tageweise kam diese Erschöpfung auch nach der Isolation immer wieder zurück. Davon unbeirrt, ging Karin weiter ihrem Job als Heilpädagogin nach.

Wenige Wochen später standen schon die Sommerferien an. Wie gewohnt verbrachte Karin viel Zeit draussen mit Sport. Langsam merkte sie, wie sich ihr Körper nach Wanderungen nicht mehr wie gewohnt erholt. Sie fühlte sich zunehmend erschöpfter und war nach den Ferien immer weniger in der Lage zu arbeiten. Im November 2021 musste sich die Heilpädagogin schliesslich zu 100 % krankmelden.

Bald darauf verschlechterte sich ihr Zustand drastisch: Sie musste wieder zu ihren Eltern ziehen, Duschen war über Wochen nicht mehr möglich, Gespräche waren zu anstrengend, selbst leise Geräusche wurden unerträglich. Ein halbes Jahr lang war sie fast durchgehend zu Hause, die meiste Zeit davon musste sie im Bett verbringen und konnte maximal ein paar Schritte gehen. Besuche durch Freunden oder Familie waren nicht mehr möglich. Doch Karin hat nie aufgegeben.

«Ich habe mich an den kleinsten Verbesserungen festgehalten.»

In der Long COVID Sprechstunde am Inselspital in Bern fand Karin schliesslich grosse Unterstützung durch die Long COVID Expertin Lara Diem, die ihr sowohl Verständnis entgegenbracht und sie gleichzeitig motivierte.

Langsam ging es bergauf und Karin konnte erste kleine Verbesserungen in ihrem Gesundheitszustand erkennen. Obwohl die Fortschritte eher schleppend verliefen, blieb Karin stets hoffnungsvoll.

Eine erste Reha im Herbst 2022 brachte Fortschritte, doch nach der Trennung von ihrem Partner folgte ein erneuter Rückschlag. Wieder war sie monatelang kaum belastbar. Erst im Frühling 2023 begann sie sich allmählich zu stabilisieren.

Meditation half ihr und sie begann mit einem «Mind-Body»-Ansatz zu arbeiten. Besonders hilfreich waren die App Curable Health und das Buch Unlearn Your Pain von Dr. Howard Schubiner.

«Ich habe verstanden, dass Angst eine riesige Rolle spielt. Die Angst vor einem erneuten Crash hat mich regelrecht gelähmt. Erst als ich sie loslassen konnte, ging es langsam bergauf.»

Das Programm von Dr. Schubiner und Achtsamkeitstraining brachten eine Trendwende. Damit schaffte Karin es, sich Schritt für Schritt zurück ins Leben zu kämpfen. Im Frühling 2024 kann sie wieder eine Stunde Ausdauertraining machen und fährt sogar mit dem Fahrrad über die Berghänge ihrer Heimat.

 

Unterstützung und neue Perspektiven

Karin erlebte viel Verständnis in ihrem Umfeld. Familie und Freunde unterstützten sie, und nach einem schwierigen Start fand sie auch im Gesundheitssystem kompetente Ansprechpersonen.

Ihre damalige Hausärztin nahm sie anfangs nicht ernst, doch in der Long-COVID-Sprechstunde bekam sie endlich die richtige Hilfe. Auch von den Reha-Kliniken in Riggisberg und Hasliberg konnte sie profitieren.

Mit der IV machte Karin positive Erfahrungen. Zu Beginn 2024 erhält sie eine volle Rente. Das gibt ihr Zeit, ihre Kraft weiter aufzubauen. «Ich bin unendlich dankbar, dass ich in Ruhe genesen darf, ohne Druck oder ständige Nachfragen.», beschreibt Karin.

 

Das grosse Vorhaben für das Jahr 2024 ist, bald wieder schrittweise ins Berufsleben zurückzukehren. Zunächst aber will sie ihre Lebenssituation festigen, sich eine eigene Wohnung suchen und sich im Gemeinschaftsgarten engagieren. Sie möchte erst ihr soziales Leben wieder stabilisieren, bevor sie an die Arbeit denkt.

«Holt euch Hilfe und wehrt euch, wenn ihr nicht ernstgenommen werdet.»

Karin hat viel gelernt auf ihrem Weg. Sie rät anderen Betroffenen, Fachpersonen zu wechseln, wenn sie sich nicht gut aufgehoben fühlen. Ausserdem legt sie Meditation und Achtsamkeitsübungen nahe, um besser zur Ruhe kommen zu können. Auch Psychotherapie hat ihr enorm geholfen, mit den schwierigen Phasen umzugehen.

 

Libelle

 

Wichtig ist es auch, so Karin, sich neue schöne Dinge zu suchen, die einen glücklich machen und sich von negativen Nachrichten zu distanzieren. Ihr persönlich gibt die Natur viel Kraft. Das Zeitlupentempo, das Long COVID einem aufbürdet kann Raum und Zeit geben Dinge zu beobachten, die man vorher übersehen hat.

«Ich habe gelernt, mich über kleine Dinge zu freuen – die Vögel im Garten, die Sonnenstrahlen am Morgen. Das macht einen riesigen Unterschied.»

Ihr wichtigster Leitsatz für das Leben mit Long COVID ist: Nicht darüber nachdenken, was nicht mehr geht – sondern sehen, was schon wieder geht. Mit dieser beeindruckend positiven Einstellung hat sich Karin über die letzten 3 Jahre zurück ins Leben gekämpft und sieht auch heute noch kontinuierliche Fortschritte in ihrer Genesung.

Im letzten Jahr hat sich Karins Zustand nochmals deutlich gebessert. Sie kann inzwischen wieder selbstständig wohnen und hat im August 2024 mit einem Arbeitsaufbautraining begonnen. Aktuell kann sie wieder 40 % in ihrem Beruf arbeiten und dieses Pensum wird sie sehr wahrscheinlich in den kommenden Monaten weiter erhöhen können.

Karin kann endlich auch wieder auf mehrstündige Wanderungen und Velotouren gehen. Eines ihrer grössten Ziele für das Jahr 2024 war es, auf das Sigriswiler Rothorn wandern zu können, was sie auch ohne Rückschläge gut geschafft hat.

 

Sigriswiler Rothorn

Das Gipfelkreuz des Sigriswiler Rothorn – ein besonderer Meilenstein für Karin 2024.

 

Heute kann Karin auch wieder ihre sozialen Kontakte pflegen, zu sozialen Anlässen oder ins Kino gehen. Sie ist zuversichtlich, dass ihre Genesung so anhält und weiter geht.

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