Studie zu den Auswirkungen von Long COVID auf die IV

Studie zu den Auswirkungen von Long COVID auf die IV

30. Januar 2025 – Der Bericht des BSV beleuchtet erstmals wissenschaftlich die Auswirkungen von Long COVID auf die Invalidenversicherung

Seit Beginn der Pandemie sorgt Long COVID nicht nur im Gesundheitswesen für Herausforderungen, sondern stellt auch das Sozialversicherungssystem vor neue Fragen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat am 30. Januar 2025 einen Bericht veröffentlicht, der erstmals eine umfassende Analyse zur Bedeutung von Long COVID bei der Invalidenversicherung (IV) liefert.

Die Studie basiert auf Daten von 2021 bis 2023 und gibt einen detaillierten Einblick in die Fallzahlen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie die Auswirkungen auf Rentenzusprüche.

Knapp zwei Prozent der IV-Neuanmeldungen betreffen Long COVID

Zwischen 2021 und Ende 2023 haben sich rund 2.900 Personen mit Long COVID bei der IV angemeldet. Dies entspricht etwa 1,8 Prozent aller Neuanmeldungen. Während die Fallzahlen zu Beginn der Pandemie angestiegen sind, zeigt der Bericht, dass sie im Jahr 2023 wieder rückläufig waren.

Im Vergleich zu Personen, die sich aufgrund von anderen Erkrankungen bei der IV anmelden leiden Long-COVID-Betroffene in der Regel unter besonders schweren Symptomen: Neun von zehn sind zu 100 % krankgeschrieben, und rund 85 % kämpfen mit Fatigue oder Belastungsintoleranz. 60 % der Fälle weisen neurokognitive Störungen auf, darunter Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme. Frauen sind häufiger betroffen als Männer und machen zwei Drittel der Long-COVID-IV-Anmeldungen aus.

„Eingliederung vor Rente“ – Trotz Wiedereingliederungsmassnahmen bleiben viele Betroffene arbeitsunfähig.

Grundsätzlich verfolgt die IV das Prinzip „Eingliederung vor Rente“: Betroffene sollen, soweit möglich, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Laut dem BSV-Bericht zeigen sich bei etwa 60 % der Long-COVID-Betroffenen in den ersten zwei Jahren nach der Anmeldung geringfügige Verbesserungen der Arbeitsfähigkeit.

Dennoch bleibt ein erheblicher Anteil – insbesondere ältere Personen oder Menschen mit mehreren gesundheitlichen Einschränkungen – dauerhaft erwerbsunfähig. Die Prognose bleibt daher unsicher, was die Beurteilung für die IV erschwert.

Im Vergleich zu anderen IV-Antragstellenden erhalten Personen mit Long COVID häufiger eine Rente. Ende 2023 bezogen 12 Prozent derjenigen, die sich 2021 oder 2022 bei der IV anmeldeten, eine Rente – im Gegensatz zu 9 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Long COVID.

Dieser Anteil könnte noch weiter ansteigen. Unter den Personen, die sich im Jahr 2021 bei der IV angemeldet haben, beziehen 20 % der Long COVID Betroffenen eine Rente im Vergleich zu 13 % der Vergleichsgruppe.

Die Zahlen unterstreichen, dass Long COVID in vielen Fällen zu einer langfristigen oder gar dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führt. Dennoch ist die Gesamtzahl der Rentenbeziehenden mit Long COVID im Verhältnis zu den insgesamt 251.000 IV-Renten (Stand 2023) relativ gering.

Long COVID ist eine komplexe Herausforderung für die IV

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Long COVID für die IV ein ernstzunehmendes Krankheitsbild darstellt, das oft mit komplexen, langwierigen und unsicheren Abklärungen verbunden ist. Das liegt unter anderem daran, dass sich das Krankheitsbild bei vielen Betroffenen im Laufe der Zeit verändert, nicht bei allen Betroffenen eine ärztliche Long COVD Diagnose vorliegt und die langfristige Prognose schwierig ist.

Die IV verfolgt keine diagnosespezifischen Verfahren, sondern entscheidet fallbezogen über Anträge. Dabei kommen verschiedene medizinische Gutachten und Abklärungen zum Einsatz, um die Arbeitsfähigkeit der Versicherten individuell zu beurteilen.

Um die Beurteilung von Long COVID Fällen zu erleichtern, hat eine Arbeitsgruppe der Swiss Insurance Medicine (SIM) versicherungsmedizinische Leitlinien erarbeitet. Hier wird für die Beurteilung die Verwendung des «Evidence-based Post-Covid-19-Assessments» (EPOCA) empfohlen. Eine digitale Version des EPOCA Assessments wurde von der movos AG in Zusammenarbeit mit der SIM und Altea entwickelt und ist in der Altea Care App verfügbar.

 

Der Bericht des BSV liefert eine wichtige Grundlage für zukünftige Diskussionen über die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Long COVID. Er zeigt, dass das Thema auch Jahre nach Beginn der Pandemie noch längst nicht abgeschlossen ist – weder für die Betroffenen noch für die Sozialversicherungssysteme.