In Teil eins dieses Blogs gehen wir darauf an, wie es nach COVID-19 zu Geruchsveränderungen kommen kann. Ausserdem haben wir zwei Studien vorgestellt in denen die (präventive) Wirkung von Kochsalz- und Kortikosteroid-haltigen Nasensprays untersucht wurde.
In diesem Blog fassen wir die Ergebnisse von vier Studien zusammen, die verschiedene pharmakologische Interventionen auf ihren Nutzen bei Geruchsstörungen untersuchen. Eine kurze Übersicht mit den Resultaten aller 6 Studien zeigt die Tabelle unten.
- Gabapentin bei Riechstörungen nach COVID
Gabapentin wird üblicherweise zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. In der randomisierten klinischen Studie GRACE wurde Gabapentin kürzlich als potenzielle Behandlung für COVID-bedingte Riechstörungen untersucht.
In diese doppelblinde, Placebo kontrollierte Studie wurden 68 Patientinnen mit Geruchsstörungen eingeschlossen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion mindestens drei Monate lang anhielten. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder Gabapentin oder Placebo.
Das primäre Ergebnis war die subjektive Verbesserung des Geruchs, die anhand des sogenannten «Clinical Global Impression of Improvement (CGI-I)» (klinischer Gesamteindruck der Verbesserung) gemessen wurde. Leider zeigten die Ergebnisse keinen signifikanten Unterschied zwischen der Gabapentin- und der Placebogruppe. Obwohl einige Patientinnen in beiden Gruppen über leichte Verbesserungen berichteten, brachte Gabapentin keinen klinisch bedeutsamen oder statistisch signifikanten Nutzen.
Trotz seiner theoretischen neuroregenerativen Eigenschaften deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Gabapentin keine wirksame Behandlung für COVID-19-bedingte Riechstörungen darstellt. Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, weiter nach wirksameren Therapien zu forschen.
- Intranasales EDTA: Chelattherapie zur Wiederherstellung des Riechvermögens
In einer anderen Studie wurde die Verwendung von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), einem Kalziumchelatbildner (ein Chelatbildner ist ein Molekül, dass Ionen binden kann), als Nasenspray zur Behandlung von Riechstörungen nach COVID untersucht. Kalziumionen spielen eine Rolle bei der Desensibilisierung von Geruchsrezeptorneuronen. Die zugrundeliegende Hypothese für die Verwendung von EDTA als Behandlung ist, dass EDTA durch die Bindung an diese Kalziumionen die Geruchsfunktion wiederherstellen kann.
An dieser randomisierten Studie nahmen 50 Patientinnen teil, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden: Die eine Gruppe erhielt ein standardmässiges Riechtraining, die andere ein Riechtraining in Kombination mit einem 1%igen EDTA-Nasenspray.
Die Ergebnisse zeigten, dass 88 % der Patienten in der EDTA-Gruppe eine klinische Verbesserung ihres Geruchssinns erfuhren. Nur 60 % der Patientinnen in der Gruppe, die nur ein Riechtraining absolvierte, zeigten eine klinische Verbesserung ihres Geruchssinns. Darüber hinaus zeigte sich in der EDTA-Gruppe eine signifikante Verringerung des nasalen Kalziumspiegels, was die Hypothese stützt, dass die Chelattherapie die kalziumbedingte Desensibilisierung der Geruchsrezeptorneuronen abmildern könnte.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass intranasales EDTA eine wertvolle Ergänzung bei der Behandlung von COVID-19-induzierten Riechstörungen sein könnte. Zur Bestätigung dieser Ergebnisse sind jedoch weitere Untersuchungen mit grösseren Stichproben erforderlich.
- Palmitoylethanolamid und Alpha-Liponsäure bei anhaltender COVID-19-Parosmie
In einer Studie wurde die Wirksamkeit der Kombination von ultramikronisiertem Palmitoylethanolamid und Luteolin (umPEALUT) mit Alpha-Liponsäure (ALA) bei der Behandlung anhaltender COVID-19-Parosmie (Geruchsstörung) untersucht.
In dieser randomisierten klinischen Studie wurden 85 Patienten in vier Gruppen eingeteilt: umPEALUT + Riechtraining, ALA + Riechtraining, sowohl umPEALUT als auch ALA + Riechtraining oder Riechtraining allein (Kontrollgruppe).
Die Veränderungen der Geruchsfunktion wurden mit einem «Sniffin'-Sticks (Richstift)-Test zur Geruchsschwelle, Detektion und Identifizierung (TDI)» bewertet. Die umPEALUT-Gruppe erzielte die grössten Verbesserungen der Geruchsfunktion mit einem Anstieg der TDI-Werte von 21,8 auf 29,7 nach sechs Monaten. Die zweithöchste Verbesserung wurde in der Kombinationsgruppe beobachtet, die alle Behandlungen zusammen erhielt (19,6 bis 27,5).
In der ALA- und der Kontrollgruppe war dagegen nur eine minimale oder gar keine Verbesserung zu verzeichnen. Darüber hinaus waren die Auflösungsraten der Parosmie (Anteil der Teilnehmenden, die eine völlige Auflösung der Geruchsstörung berichteten) in der Kombinationsgruppe am höchsten (96 %) und in der ALA-Gruppe am niedrigsten (29 %) Die hohe Rate an Teilnehmenden, bei denen sich die Parosmie vollkommen auflöste, unterstreicht das Potenzial von umPEALUT als wirksame Behandlung für chronische Geruchsstörungen.
- Thrombozyten (Plättchen)-reiches Plasma bei Geruchsstörungen nach COVID-19
Eine weitere Studie untersuchte den Einsatz von plättchenreichem Plasma (PRP) zur Behandlung von Riechstörungen. In einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 83 Patientinnen wurde plättchenreiches Plasma topisch in die Riechspalte von Patienten mit anhaltender Riechstörung nach COVID-19 appliziert.
Bei Patientinnen, die mit plättchenreichem Plasma behandelt wurden, kam es zwischen dem fünften und neunten Monat zu einem statistisch signifikanten Anstieg der Geruchsidentifikationswerte (BSIT) im Vergleich zu Placebo. Während sich die Gesamtwerte für die Geruchserkennung zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschieden, zeigte die Gruppe mit plättchenreichem Plasma im Laufe der Zeit leichte Verbesserungen der Geruchsfunktion.
Diese Ergebnisse müssen zwar noch in einer grösseren Patientengruppe validiert werden, aber plättchenreiches Plasma könnte als mögliche Therapie für Patientinnen mit langfristigem Geruchsverlust nach COVID-19 in Betracht gezogen werden.
Die Palette der Behandlungsmöglichkeiten für Riechstörungen wird immer grösser, doch es besteht noch weiterer Forschungsbedarf.
Die Störung des Geruchssinns ist für viele Patienten eine stark beeinträchtigende Folge von COVID-19. Die aktuelle Forschung, die von intranasalen Chelat-Therapien wie EDTA bis hin zu Riechtraining und pharmakologischen Interventionen reicht, gibt Anlass zur Hoffnung für Personen, die unter anhaltendem Geruchsverlust leiden.
Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um eindeutige, wirksame Behandlungen für COVID-19-induzierte Riechstörungen zu entwickeln. Da immer mehr Studien durchgeführt und neue Therapien entwickelt werden, ist es für Patienten wichtig, sich bei ihrer Ärztin über die neuesten Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.
Wenn Sie selbst Veränderungen in Geruch und Geschmack feststellen, lesen Sie unseren Ratgeber für Riechtraining oder tauschen Sie sich im Altea Forum über Ihre Erfahrungen aus.