Der Begriff Long COVID-Subphänotyp beschreibt das Ausmass, in dem Long COVID-Symptome und sonstige Erkrankungen gemeinsam bei einem Patienten auftreten. Eine gross angelegte Studie aus den Vereinigten Staaten setzte sich zum Ziel, diese Subphänotypen auf der Grundlage von Symptomen, medizinischer Vorgeschichte und anderen Patientenmerkmalen wie Alter und Geschlecht zu bestimmen.
Für die Studie nutzten die Forscherinnen elektronische Krankenakten zweier grosser US-amerikanischer klinischer Forschungsnetze mit insgesamt 31 Millionen Patienten. Die Studie analysierte 34 605 erwachsene Patientinnen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und bei denen zwischen einem und drei Monaten nach der bestätigten Infektion mindestens ein Long COVID-Symptom auftrat.
Der Subphänotyp jeder Patientin wurde in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt. Auf Grundlage der Literatur zu Long COVID-Studien erstellten die Forscher eine umfassende Liste potenzieller Long COVID-Typen. Unter den 137 Diagnosekategorien, die möglicherweise mit Long COVID in Verbindung stehen, wurden die Patienten anhand des gemeinsamen Auftretens von Symptomen durch eine maschinelle Lernanalyse (machine learning) gruppiert.
Es gibt vier Long COVID-Subphänotypen
In der Studie wurden vier verschiedene Long COVID-Subphänotypen identifiziert:
Subphänotyp 1 ist der grösste und umfasst Patientinnen mit kardiovaskulären und nierenbedingten Symptomen, von denen sich die meisten während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie infizierten. Diese Patienten erkrankten am schwersten und wurden in der akuten Phase der Krankheit am häufigsten stationär behandelt und mechanisch beatmet. Ausserdem hatten sie im Vergleich zu den anderen Subphänotypen mehr Vorerkrankungen.
Subphänotyp 2 umfasst Patientinnen mit Atemwegserkrankungen, Schlafstörungen, Angstzuständen und Symptomen wie Kopf- und Brustschmerzen. Diese Gruppe besteht aus jüngeren Patienten und einen höheren Anteil an Frauen als Subphänotyp 1.
Subphänotyp 3 beschreibt Patientinnen mit hauptsächlich muskuloskelettalen und neurologischen Symptomen, wie Schmerzen des Bewegungsapparats, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und dermatologischen Manifestationen (Hautproblemen). Subphänotypen 3 und 4 waren weniger verbreitet als 1 und 2.
Zu Subphänotyp 4 gehören Patienten, die vor allem an Erkrankungen des Verdauungssystems und der Atemwege litten. Bei Patientinnen dieser Gruppe war der Schweregrad der akuten Phase der SARS-CoV-2-Infektion am geringsten, und sie wurden am seltensten mechanisch beatmet und auf Intensivstation eingewiesen. Ausserdem waren diese Patienten im Allgemeinen gesünder und hatten weniger gesundheitliche Vorerkrankungen als Patientinnen mit anderen Subphänotypen.
Die vier Long COVID Subphänotypen.
Die Studienautoren wiesen auch darauf hin, dass Erkrankungen des Subphänotyps 1, wie z. B. Herzinsuffizienz, Lungenentzündung und Nierenversagen, meist anhand objektiver Diagnosekriterien festgestellt wurden. Im Gegensatz dazu waren viele Symptome in den anderen drei Subphänotypen, wie Schmerzen oder Übelkeit, eher subjektiv zu diagnostizieren und basierten hauptsächlich auf Patientenberichten.
Warum sind die Long COVID-Subphänotypen so wertvoll?
Diese Studie bestätigte die wichtigsten Long COVID-Symptome, die in mehreren früheren Studien dokumentiert wurden, wie kardiovaskuläre, respiratorische, neurologische und verdauungsbedingte Beschwerden. Insgesamt sind diese Ergebnisse wichtig und können nicht nur für Ärztinnen und Forscherinnen, sondern auch für Long COVID-Patienten von Nutzen sein.
Die Gruppierung von Long COVID-Patientinnen auf der Grundlage ihrer Symptome kann dazu beitragen die Gesamtqualität der Versorgung zu verbessern.
Patienten erhalten derzeit entweder eine symptomatische Behandlung (die zwar die Symptome lindert, aber nicht die zugrunde liegende Krankheit behandelt) oder eine Kombination von Therapien, die zahlreiche Nebenwirkungen haben können. Bislang hat keiner dieser Ansätze zu einer Heilung oder zumindest zu einer deutlichen Verbesserung von Long COVID geführt.
Diese Studie gibt Aufschluss darüber, welche Patientinnen nach einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 ein höheres Risiko haben, an Long COVID zu erkranken. Durch die Berücksichtigung von Faktoren wie Schwere der Erstinfektion, Begleiterkrankungen, frühere Medikation, Alter und Geschlecht können Ärzte und Forscherinnen diejenigen identifizieren, die am ehesten dazu neigen, langfristig Symptome zu entwickeln. Alles in allem kommt die Forschung durch die Identifizierung von Subphänotypen der Verbesserung der Long COVID-Versorgung einen Schritt näher.