Neue Studie: Die Rolle antineuronaler Antikörper bei Long COVID

Neue Studie: Die Rolle antineuronaler Antikörper bei Long COVID

Eine Studie aus Finnland zeigt: Das Auftreten von Antikörpern, die sich gegen eigene Nervenzellen richten, hängt vor allem mit vorangegangenen Intensivbehandlungen zusammen.

Weltweit sind Millionen Menschen von Long COVID betroffen. Doch die Ursachen sind noch nicht vollständig verstanden. Eine Forschungsgruppe des Universitätsklinikums Helsinki untersuchte deshalb, ob sogenannte antineuronale Antikörper (Antikörper, die gegen Nervenzellen gerichtet sind) eine Rolle bei Long COVID spielen könnten.

Die Studie im Überblick

314 Patientinnen und Patienten mit Long COVID nahmen zwischen 2021 und 2023 an der Studie teil. Sie hatten mindestens drei Monate zuvor eine bestätigte Corona-Infektion durchgemacht. Alle erhielten eine ausführliche ärztliche Untersuchung, Labortests und Fragebögen. Zusätzlich wurde eine Kontrollgruppe von 35 Personen untersucht, die zwar Corona hatten, aber keine Long COVID-Symptome entwickelten. Das Ergebnis: Bei 12,1 % der Long COVID-Betroffenen fanden die Forschenden antineuronale Antikörper im Blut. Am häufigsten richteten sich diese gegen die körpereigenen neuronalen Proteine CASPR-2, Neurofascin-186 und einen Glycin-Rezeptor.

Nur die vorausgegangene Intensivbehandlung war ein klarer Risikofaktor für den Befund antineuronaler Antikörper im Blut.

Die Auswertung zeigte: der einzige eindeutige Zusammenhang des Auftretens antineuronaler Antikörper bei Long COVID Betroffenen bestand mit einer Intensivbehandlung während der akuten COVID-19-Erkrankung. Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation lagen, hatten ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko, dass später solche Antikörper im Blut gefunden werden.

Bedeutung der Ergebnisse

Interessant ist, dass die Häufigkeit des Auftretens antineuronaler Antikörper zwischen Long COVID-Betroffenen und der Kontrollgruppe nicht signifikant unterschiedlich war. Zwei Personen ohne Long COVID hatten ebenfalls antineuronale Antikörper. Auch fanden sich keine Hinweise auf eine klassische Autoimmunerkrankung wie die sogenannte Autoimmun-Enzephalitis (eine schwere Entzündung des Gehirns durch fehlgeleitete Antikörper).

Die antineuronalen Antikörper allein erklären die Long COVID-Symptome nicht.

Das spricht dafür, dass das Vorhandensein dieser gegen Nervenzellen gerichteten Antikörper eher eine Folge schwerer Krankheitsverläufe und der damit verbundenen starken Immunreaktion sind – und nicht die Ursache der anhaltenden und Long COVID-spezifischen Beschwerden. In neuropsychologischen Tests zeigten die Antikörper-positiven Teilnehmenden zwar häufiger kognitive Probleme wie Aufmerksamkeitsstörungen. Doch ähnliche Einschränkungen wurden auch bei anderen Menschen beobachtet, die zuvor schwer an COVID-19 erkrankt waren – unabhängig vom Auftreten antineuronaler Antikörper.

Die Ergebnisse mahnen zu Vorsicht bei der Interpretation von Bluttests.

Die Forschenden betonen deshalb: Ein Nachweis von antineuronalen Antikörpern sollte nicht automatisch zu zusätzlichen, möglicherweise belastenden Therapien führen. Vielmehr scheinen die Befunde Zeichen einer allgemeinen Immunaktivierung nach schwerer Erkrankung zu sein.

Fazit

Die Studie zeigt, dass Long COVID zwar mit messbaren Veränderungen im Immunsystem einhergehen kann, aber Antikörper gegen körpereigene Nervenzellen keine zentrale Rolle spielen. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass die Schwere der akuten Erkrankung – insbesondere einhergehend mit einer Behandlung auf der Intensivstation – die Wahrscheinlichkeit für solche Befunde in Blutuntersuchungen beeinflusst. Für Betroffene und die Wissenschaft bedeutet das: Long COVID bleibt eine komplexe Krankheit, deren Ursache bislang nicht auf eine einfache Erklärung reduziert werden kann.