Warum engagieren Sie sich im Experten-Board von Altea?
Jede Krankheit wirkt sich auf die psychische Gesundheit aus. Umgekehrt hat die psychische Gesundheit auch einen Einfluss auf die Krankheit. Diese wichtige und spannende Wechselwirkung ist auch beim Coronavirus und Long COVID zu beobachten und bietet Potenzial, Betroffene zu unterstützen. Genau deshalb ist es wichtig, dass die psychologischen Aspekte im Zusammenhang mit dem Virus mitbeachtet werden. Diese Seite möchte ich im Experten-Board von Altea einbringen.
«Je weniger man über etwas weiss, desto schwieriger ist es zu verstehen. Das ist bei Long COVID der Knackpunkt.»
Was ist Ihr fachlicher Bezug zu Long COVID?
Als Projektinitiantin der Plattform dureschnufe.ch habe ich mich seit Ausbruch der Pandemie stark mit dem Thema Corona und dessen Einfluss auf die psychische Gesundheit auseinandergesetzt. Im Laufe der Zeit ist vermehrt auch Long COVID ins Blickfeld gerückt.
In unserem Fokus steht nicht nur die Psychopathologie, also die Psychologie auf Symptomebene, sondern auch die gesundheitsfördernde Ebene. Dies beinhaltet gesundheitspsychologische Fragen wie «Welche Ressourcen bestehen?» oder «Welche Stressoren gibt es?».
Das Ziel von dureschnufe.ch ist es, bestehende Angebote sichtbar zu machen. Es gibt bereits eine Vielzahl von Angeboten, sie werden aber nicht (immer) gefunden. Somit haben wir uns zur Aufgabe gemacht, diese Angebote zu bündeln und praxisnahe Tipps zu geben, einen «first level support» sozusagen, der die Menschen an die richtigen Stellen weiterverweist.
Ronia Schiftan, Gesundheitspsychologin (Quelle: Remo Ubezio, 2021)
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Long COVID gesammelt?
Sowohl im Beruflichen als auch im Privaten gehören Diskussionen und Fragen rund um Long COVID mittlerweile zum Alltag. Was wir feststellen, ist, dass das Diffuse, nicht Fassbare die Leute unruhig macht. Wir werden von Betroffenen kontaktiert, welche Mühe haben im Umgang mit der Krankheit. Aus psychologischer Sicht ist genau das der Knackpunkt. Je weniger man über etwas weiss, desto schwieriger ist es zu verstehen. Bei Long COVID gibt es ein grosses Spektrum an Symptomen und unbekannten Parametern. Man weiss nicht, wie lange es dauert, es gibt nur wenige Vergleichsfälle und Prognosen sind schwierig. Das ist anstrengend und macht die Menschen nervös.
Teilweise schreiben uns aber auch Menschen, die nicht direkt betroffen sind, sondern Angst davor haben, Long COVID zu bekommen oder sich Sorgen um Angehörige machen.
«Ich wünsche mir, dass Long COVID kein Stigma erfährt.»
Wie blicken Sie in die Zukunft mit Bezug auf Long COVID?
Stand heute ist davon auszugehen, dass uns Long COVID noch eine Weile beschäftigen wird. Umso wichtiger ist es, dass in der Gesellschaft eine Diskussion in Gange kommt, wie Betroffene unterstützt und ernst genommen werden können. Dazu gehört auch, wie Betroffene den Umgang mit der Ungewissheit erlernen können.
Die psychische Gesundheit ist sehr stigmatisiert. Ich wünsche mir, dass Long COVID kein Stigma erfährt und wir als Gesellschaft in der Lage sind, achtsam und sensibel mit dem Thema umzugehen – wie mit jeder anderen Krankheit auch.
Spiel und Spass bei der jungen Familie zuhause. (Quelle: Privat, 2021)
Wofür begeistern Sie sich als Privatperson?
Ich bin Mami von einem fast zweijährigen Sohn und wohne in Bern. Begeistern kann ich mich für vieles und lasse dabei meiner Kreativität freien Lauf. Am liebsten bin ich in Brockis und richte meine oder die Wohnung von Freunden neu ein – so ist schon manch einer meiner Bekannten zum spontanen Helfer geworden, wenn es um den Transport eines neuen Möbelstücks ging.
Ronia Schiftan hat einen Master of Science in Angewandter Psychologie und eine Ausbildung als Ernährungspsychologin ZEP. Sie ist Projektinitiantin von dureschnufe.ch, einer Plattform für die psychische Gesundheit rund um das Coronavirus. Sie enthält Tipps, Tricks und Adressen, bei denen man Hilfe finden kann.