Geschmacks- und Geruchsverlust, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme: Dass sich COVID-19 aufs Gehirn auswirken kann, wissen Betroffene schon längst. Doch nun zeigt eine neue Studie mit Hirnscans, dass sich bei Infizierten ein Rückgang der Grauen Substanz in bestimmten Hirnarealen nachweisen lässt. Ob und wie sich das in Zukunft auswirken wird, ist derzeit noch unklar.
Eintrittspforte Nasenschleimhaut
Bekannt ist, dass SARS-CoV-2 über die Geruchsnerven in der Nasenschleimhaut in das Zentralnervensystem und das Gehirn eindringen kann. Dies geschieht so bei Mäusen, Hamstern und Menschen. Bei Personen, die an anhaltendem Geruchsverlust leiden, kann das Virus bis zu sechs Monate in der Nasenschleimhaut nachgewiesen werden.
Nicht nur schwere Fälle sind betroffen.
Neurologische Symptome scheinen bei Menschen nach einer COVID-19-Infektion über längere Zeit zu bestehen, auch nachdem sich andere Symptome verbessert haben. Daten des statistischen Amts in Grossbritannien zeigen, dass Long-COVID-Betroffene häufig über Erschöpfung, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Brainfog und Geruchsverlust berichten.
Eine Studie von Psychiatern an der Universität Oxford zeigte, dass Infizierte ein höheres Risiko für psychiatrische Störungen, Schlaganfälle oder Demenz hatten und sechs Monate nach COVID-19 häufiger neurologische und psychiatrische Diagnosen erhielten – auch Betroffene, die nicht hospitalisiert gewesen waren.
Zum ersten Mal können die Veränderungen relativ sicher auf COVID-19 zurückgeführt werden.
Es gab bereits Studien, die einen kognitiven Abbau nach einer COVID-19-Infektion untersuchten. Was immer fehlte, war der Vergleich mit Messungen vor der Infektion. In einer vielbeachteten (aber noch nicht offiziell begutachteten) Studie aus Oxford konnten nun Forschende mit Hilfe einer grossen Datenbank erstmals zeigen, wie sich das Gehirn durch eine COVID-Infektion verändert.
Dank grosser Biobank
Die Studie basiert auf einer sogenannten Biobank. Das bedeutet, dass eine grosse Auswahl von Probanden (über 40'000) periodisch vermessen werden. Die Ergebnisse dieser Messungen werden für spätere Untersuchungen in einer grossen Datenbank gespeichert. Zu den Messungen gehörten auch Hirnscans.
Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Forscherinnen und Forscher zum einen die Hirnscans von Betroffenen vor und nach ihrer Infektion vergleichen konnten. Ausserdem konnten sie eine Kontrollgruppe von Nicht-Infizierten untersuchen, die ebenfalls zweimal gescannt wurden. So lassen sich die Unterschiede relativ sicher der SARS-CoV2-Infektion zuordnen.
Die Teilnehmenden der Studie wurden mittels MRI (Magnetresonanztomographie) untersucht.
Aus der Datenbank wurden 394 Personen mit COVID-19 und eine Vergleichsgruppe von 388 Nicht-Infizierten ausgewählt. Das Ergebnis des Vergleichs: Bei den Infizierten zeigte sich eine signifikante Reduktion der Grauen Substanz in bestimmten Teilen des Gehirns – insbesondere in den Bereichen, die mit dem Geruchssinn und dem Gedächtnis assoziiert sind.
Weniger als 5% waren hospitalisiert
Auffallend ist dabei, dass diese Veränderungen bei Personen auftraten, die überwiegend leichte COVID-Symptome hatten: Von den 394 Untersuchten waren nur 15 hospitalisiert gewesen.
Die Studie objektiviert einerseits Symptome von Long-COVID-Betroffenen, indem sie neurologische Korrelate der Beschwerden messbar macht. Sie zeigt andererseits auf, dass die Folgen von COVID-19 auch bei leichten Verläufen durchaus ernstzunehmend sein können.