Die italienische Studie von Murano et al. (2025) hatte das Ziel zu überprüfen, ob ein 8-wöchiges Achtsamkeitsprogramm – ursprünglich entwickelt zur Stressbewältigung – auch Menschen mit Long COVID helfen kann.
Studienaufbau: 8 Wochen Achtsamkeit, 12 Monate Wirkung?
Die randomisierte kontrollierte Studie wurde von April 2023 bis Juli 2024 im norditalienischen Lecco durchgeführt. Insgesamt nahmen 105 Erwachsene teil, die zuvor wegen COVID-19 auf einer Intensivstation behandelt worden waren und nach der Entlassung erstmals Long COVID Symptome wie Schmerz, Schlaflosigkeit, Angst oder Depressionen entwickelten.
Die Teilnehmenden wurden eingeteilt in eine Interventionsgruppe mit 52 Personen, die an einem strukturierten Achtsamkeits-Gruppenkurs teilnahmen (2 Stunden pro Woche über 8 Wochen) und einer Kontrollgruppe mit 53 Personen, welche die übliche medizinische Nachsorge ohne Achtsamkeitstraining erhielten.
Nach 6 und 12 Monaten wurden die Betroffenen erneut befragt – mit standardisierten Fragebögen zur Schmerzintensität (Brief Pain Inventory), Angst und Depression (HADS) sowie Schlafqualität (Insomnia Severity Index).
Zentrale Ergebnisse: Weniger Schmerz, bessere Stimmung
Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Die Teilnehmenden der Achtsamkeitskurse profitierten in mehrfacher Hinsicht sowohl kurzfristig nach sechs Monaten als auch längerfristig nach einem Jahr.
Schmerz: Die wahrgenommene geringste Schmerzintensität in den letzten 24 Stunden war in der Achtsamkeitsgruppe etwa 36 % niedriger als in der Kontrollgruppe nach sechs Monaten. Auch die Beeinträchtigung durch Schmerz im Alltag war reduziert, besonders in Bezug auf Stimmung, Schlaf und Lebensfreude. Die Verbesserung hielt teilweise bis zu einem Jahr nach dem Kurs an.
Psychische Gesundheit: Angstsymptome sanken deutlich in der Gruppe, die am Achtsamkeitstraining teilnahm. Die Werte des HADS-Angstscores (0-21) lagen im Durchschnitt 2 bis 2.5 Punkte niedriger als in der Kontrollgruppe; sowohl nach 6 als auch nach 12 Monaten. Auch depressive Symptome waren nach dem HADS-Depressionsscore deutlich reduziert.
Besonders bemerkenswert: Diese Effekte traten ohne zusätzliche psychotherapeutische Behandlung auf – allein durch das Achtsamkeitstraining.
Schlaf: Die mittleren Schlaflosigkeits-Werte waren niedriger in der Gruppe, die am Achtsamkeitstraining teilnahm. Vor allem sechs Monate nach der Intervention war eine Verbesserung zu beobachten. Allerdings verringerte sich die Zahl der Betroffenen mit schwerer Schlaflosigkeit nicht deutlich. Die Verbesserungen betrafen also eher die Schwere der Symptome als die Häufigkeit.
Achtsamkeitstraining kann eine hilfreiche Ergänzung zur medizinischen Therapie von Long COVID sein.
Die Autorinnen betonen, dass die Verbesserungen zwar grösstenteils statistisch signifikant waren, jedoch nicht unbedingt stark genug, um sofort den Alltag grundlegend zu verändern.
Eine wichtige Beobachtung ist, dass die positiven Effekte tendenziell nach gewisser Zeit wieder abnahmen. Das deutet darauf hin, dass möglicherweise eine regelmässige «Auffrischung» (z.B. im Rhythmus von sechs bis zwölf Monaten) nötig ist.
Einschränkungen der Studie
Wie bei vielen Studien zum noch jungen Thema Long COVID gibt es auch hier Einschränkungen:
- Die Studie wurde nur an einem Standort durchgeführt.
- Der Einsatz von Selbstberichtsfragebögen kann zu subjektiven Verzerrungen führen.
- Die Fallzahl war mit 105 Teilnehmenden eher klein.
Insgesamt zeigt die Studie, dass Achtsamkeitstraining bei komplexen Krankheitsbildern wie Long COVID eine niedrigschwellige, kostengünstige und risikoarme Ergänzung zur medizinischen Versorgung darstellen kann. Es ist aber nicht als Alternative zu anderen Therapien anzusehen, dafür sind die Effekte vermutlich zu gering.
Die Studienautoren empfehlen einen Achtsamkeitskurs pro Jahr zusätzlich zu anderen Behandlungsansätzen wahrzunehmen, um Long COVID Betroffenen zu helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen.