Long COVID Apps – praktische Hilfe auf dem Handy

Long COVID Apps – praktische Hilfe auf dem Handy

Mit Apps können Long-COVID-Betroffenen ihre Symptome tracken und damit besser verstehen lernen. Auch Übungen und Informationen werden angeboten.

In der Schweiz sind im deutschsprachigen Raum insbesondere zwei Long-COVID-Apps in Gebrauch: INSELhealth Cofit des Inselspitals Bern und Long Covid Tagebuch von Patient Strength. Eine internationale Alternative mit ähnlichen Funktionen bietet die englische Bearable-App (vgl. Links zu den Apps am Ende des Artikels). Im Folgenden werden die beiden Apps aus der Schweiz näher vorgestellt. 

Was tut mir gut? Was nicht? 

Eine Funktion ist bei all diesen Apps die gleiche: Protokoll zu führen über den eigenen Gesundheitszustand. Dies bestätigt bereits der Name der Long-Covid-Tagebuch-App. Sie wurde von Tobias Grossmann lanciert, der selbst an Long COVID leidet. «Wir Betroffenen haben uns immer wieder gefragt, was mit uns nicht stimmt. Und wir haben relativ früh festgestellt, dass uns gewisse Dinge, wie beispielsweise Alkohol oder Zucker, für viele Tage nicht guttun und Symptome verstärken oder auslösen. Auch Histamine spielen fürs Wohlbefinden eine grosse Rolle.» So entstand die Idee, eine App zu entwickeln, in der man über genau solche Aspekte Protokoll führen und Zusammenhänge sowie einen Verlauf erkennen kann.  

Die Idee der App ist simpel: Protokollieren und herausfinden, was einem gut tut und was nicht 

Daten gehören den Patienten 

In die Entwicklung der App waren verschiedene Betroffene direkt involviert. Dafür wurden Screenshots in der Long COVID Schweiz Facebook-Gruppe geteilt, um Feedback einzuholen und umzusetzen. Aktuell kann man in der App täglich Symptome, Ernährung, Tagesform und Aktivitäten erfassen. Eine Integration von Sportuhren und das Erfassen von Medikamenten ist geplant, sofern das Budget dafür verfügbar ist.  

Weil er selbst aus dem Bereich Datenschutz kommt, war für Grossmann von Anfang an klar, dass die Daten nicht gespeichert werden und dem Nutzer allein gehören sollen. «Mit Gesundheitsdaten Geld zu machen ist aus Ethikperspektive unangemessen», erklärt er. Die Daten können allerdings als Tabelle im Format .csv exportiert und mit dem Arzt oder der Therapeutin geteilt werden. «Das ist extrem wertvoll, weil der Arzt so die Entwicklung besser

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So dürfte die Long COVID Tagebuch-App in Zukunft aussehen. (Bild: Tobias Grossmann) 

Drei-Säulen-Prinzip: Dokumentation, Aktivität und Information 

Wie bei der App von Grossmann ist auch bei der INSELhealth Cofit-App keine Registrierung erforderlich. Neben der Tagebuchfunktion hat die App aber noch zwei weitere Säulen: Aktivität und Information. Joachim Schmidt, Schwerpunktleiter Physiotherapie Respiratory am Inselspital, erklärt: «Der Aktivitäts-Bereich der App ist so konzipiert, dass jeder Nutzer zuerst ein Screening durchläuft, um herauszufinden, ob eine sogenannte PEM- bzw. PESE-Symptomatik (Post-Exertional Malaise / Post-Exertional Symptom Exacerbation: Symptomverschlechterung nach Anstrengung) besteht. Wenn dem so ist, werden Übungen nach herkömmlicher Trainingsempfehlung gar nicht angezeigt. Das ist eine Vorsichtsmassnahme.»  

Werden allerdings keine Anzeichen von PEM festgestellt, wird der User zum 1-Minute-Sit-to-Stand-Test aufgefordert. Das Resultat lässt schliesslich eine Einteilung in drei Stärkegruppen zu. Dementsprechend werden einem Übungen mit unterschiedlicher Intensität zugewiesen. Dieser Mechanismus ermöglicht, dass die App individuell genutzt werden kann, auch ohne die Betreuung durch eine medizinische Fachperson. Bei einer PEM-Symptomatik ist es aber in jedem Fall empfohlen, sich an eine Fachperson zu wenden. 

«Die INSELhealth Cofit-App kann frei genutzt werden, ohne Abhängigkeit von einem Therapeuten oder einer Ärztin.» 

Auch Therapeuten im Fokus 

Der dritte Bereich der App ist die Information. Es geht in erster Linie darum, für die Nutzer hilfreiche Informationen zum Krankheitsbild und zu Verhaltensstrategien bereitzustellen. «Hier verweisen wir gelegentlich auch auf Altea», berichtet Schmidt.  

Im Unterschied zur Long-Covid-Tagebuch-App fokussiert die App des Inselspitals nicht nur auf Betroffene, sondern auch auf Therapeutinnen und Therapeuten. So waren an der Entwicklung der Cofit-App viele unterschiedliche Disziplinen und Professionen beteiligt. Schmidt erklärt: «Wir konnten viel von der Erfahrung bei der Erstellung der bereits bestehenden Apps des Inselspitals profitieren und die Übungen aus dem Archiv zusammenstellen.» 

Er fügt an: «Long COVID ist auch für uns Physiotherapeuten neu, und es besteht noch immer eine grosse Unsicherheit in der Behandlung». Die App bietet eine gewisse Struktur für die Behandlung, beinhaltet eine Auswahl an Übungen, die den Patienten vorgeschlagen werden können, und stellt weiterführende Informationen oder Anlaufstellen innerhalb des Inselspitals zur Verfügung. 

«Die Diagnose Long COVID ist zwar immer die Gleiche, was dahintersteckt ist aber bei jeder Patientin anders.» 

Jeder Long-COVID-Patient ist anders 

Joachim Schmidt gibt zu bedenken, dass sich die App nicht für alle Patienten eignet: «Als Therapeut muss man wachsam sein und die App dort einsetzen, wo sie Sinn macht. Es kann auch sein, dass man beispielsweise nur auf die Dokumentation fokussiert.» 

Entsprechend sind auch die eingehenden Rückmeldungen sehr unterschiedlich. Während einige Personen die Vielseitigkeit der App super finden, ermüden andere zu stark dabei, sich in der App zurechtzufinden. Das sei typisch bei Long COVID. «Die Patienten werden zwar alle mit der gleichen Diagnose zugewiesen, man muss das Rad aber sozusagen jedes Mal neu erfinden», erklärt der Physiotherapeut. 

Die Nutzerzahlen zeigen, dass die Apps Anklang finden. Grossmann kann einen signifikanten Anstieg der Downloadzahlen seit Januar feststellen. Die App wurde bis jetzt von 2'000 Personen heruntergeladen. Beim Inselspital wurden bisher 900 Downloads registriert.  

Zum App-Download 
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