In einem ersten Blogpost zu Pacing Apps für Smart Watches, gehen wir genauer darauf ein, was Pacing ist und warum es eines der wichtigsten Instrumente zum Umgang mit Symptomen wie Fatigue und Post-excertional Malaise (PEM) ist.
Ausserdem stellen wir die App Mindful Pacer vor, die aktuell an der Uni Zürich für Long COVID Betroffene entwickelt wird. Neben dem Mindful Pacer, gibt es noch einige weitere Anwendungen, die durch Herzfrequenzmonitoring und Aktivitäts-/Energietagebuchfunktionen beim Pacing unterstützen können. In diesem zweiten Teil wollen wir einige Beispiele vorstellen.
Die Pacing-Uhr für Fitbit
Die Pacing-Uhr App wurde von Marco G. entwickelt, der selbst an Long COVID erkrankt ist. Die App unterstützt Personen mit Long-Covid und ME/CFS bei der Selbstüberwachung der Herzfrequenz und des Stresslevels.
Die Idee zur App kam durch Marcos eigene Erfahrungen beim Versuch ein Aktivitätentagebuch und Herzfrequenzmonitoring für Pacing zu nutzen. Grundlage für die Pacing-Uhr bieten der Altea Ratgeber zu Herzfrequenzmonitoring, der auf einem «Ultimate Guide for Pacing» von einer ME/CFS Selbsthilfegruppe beruht und die Empfehlungen «Pacing with a heart monitor» aus einer ME/CFS Facebookgruppe.
Die minütlich gemessenen Herzfrequenzen werden nach diesen Empfehlungen einer Pulszone zugewiesen, die eine Visualisierung des Tagesverlaufs ermöglicht. Die Pulszonen beruhen auf Erfahrungswerten und sollen helfen Aktivitäten zu vermeiden, die den Übergang zum anaeroben Stoffwechsel erfordern.
Bei geringen Anstrengungen befindet sich unser Körper im aeroben Stoffwechsel, in dem Zellen Sauerstoff verwerten, um Energie zu produzieren. Der anaerobe Stoffwechsel tritt bei starken Anstrengungen ein.
Bei gesunden Menschen wird der Übergang vom aeroben zum anaeroben Stoffwechsel ungefähr bei einer Herzfrequenz von 85% der maximalen Herzfrequenz erreicht. Es besteht die Hypothese, dass dieser Schwellenwert bei ME/CFS Betroffenen deutlich tiefer liegt, bei ca. 55% der maximalen Herzfrequenz.
Nach dieser Theorie führen Übergänge in den anaeroben Stoffwechsel bei ME/CFS Betroffenen zu Crashs und müssen daher unbedingt vermieden werden. Dabei ist wichtig, wie häufig und wie lange (kumulativ) der Grenzwert pro Tag überschritten wird.
Die Pacing-Uhr App, soll dabei helfen den Verlauf der Herzfrequenz über den Tag zu visualisieren, um so erkennen zu können, wann man in eine zu hohe Pulszone übergeht. Das hilft die Ursachen für Crashs zu identifizieren und zu vermeiden.
Die App ist ausschliesslich für Uhren der Marke Fitbit verfügbar und beinhaltet folgende Funktionen:
- Herzfrequenzüberwachung: Die App zeichnet kontinuierlich die Herzfrequenz des Nutzers über den Tag hinweg auf und ordnet pro Minute eine spezifischen Pulszone zu. Die Zonen sind durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet, um eine klare Visualisierung des aktuellen Zustands zu ermöglichen.
- Zoneneinteilung: Es gibt 9 verschiedene Zonen, jede Zone bezieht sich auf einen bestimmten Herzfrequenzbereich. Die Zonen werden als Prozent der maximalen Herzfrequenz angegeben (Zone 1 = <33% bis Zone 9 = <90%). Die maximale Herzfrequenz berechnet sich als 220 minus Alter der Nutzerin.
- Statistische Darstellungen: Nutzer können die Verteilung ihrer Pulszonen über den Tag in einer Balkengrafik sehen.
- Haptisches Feedback: Die App kann Vibrationssignale senden, wenn eine neue Pulszone erreicht wird.
- Wochenstatistiken (nur für die Modelle Versa 3 und Sense verfügbar): Nach dem Abnehmen der Uhr werden Wochenstatistiken angezeigt, die einen Überblick über die Herzfrequenzdaten der letzten Woche bieten.
Die Pacing-Uhr App ist in der Fitbit Mobile App verfügbar, hier geht’s zum Download.
Screenshots der Pacing-Uhr Applikation für Fitbit.
Internationale Angebote
Insgesamt sind aktuell nur wenige Anwendungen verfügbar, die Personen, die unter PEM oder Fatigue leiden beim Pacing unterstützen. Die ME/CFS Pacing App bietet zum Beispiel einen Energietracker der speziell für Personen mit ME/CFS entwickelt wurde. Weitere Beispiele sind die Bearable App oder die Chronic Insights App, letztere wurde jedoch eher für Personen die an chronischen Schmerzen leiden entwickelt. Die meisten Angebote fokussieren sich auf eine Smartphone-Applikation und bieten keine Verknüpfung mit Smartwatches zur Überwachung der Herzfrequenz.
Die visible App
In den USA wurde von einem jungen Long COVID Betroffenen die visible App entwickelt, mit dem Ziel «unsichtbare Krankheiten wie Long COVID und ME/CFS sichtbar zu machen».
Ähnlich wie der MindfulPacer verbindet das System eine App mit Tagebuchfunktion zur Dokumentation von Energielevels und Aktivitäten mit einer Anwendung, die die Herzfrequenz misst. Allerdings setzt visible dabei auf einen eigens entwickelten Herzfrequenztracker statt einer Integration mit bekannten Smartwatches oder Fitnesstrackern.
Während die App mit Symptomtagebuch frei verfügbar und kostenlos ist, benötigt man für die Verbindung mit dem Herzfrequenztracker eine visible plus Mitgliedschaft (19.99$ pro Monat). Dieses Angebot ist allerdings bisher nur in den USA und der UK verfügbar.
Screenshots der visible App.
Pacing in den eigenen Alltag zu integrieren ist schwer und erfordert viel Eigendisziplin, Aufmerksamkeit und ein tiefes Verständnis dafür, welche Tätigkeiten besonders energieraubend sind. Eine Pacing App in Verbindung mit Herzfrequenzmonitoring kann erheblich dabei unterstützen die eigenen Grenzen zu finden und einzuhalten.
In unserem Forum haben bereits einige Betroffene ihre Erfahrungen mit der Pacing-Uhr Anwendung für Fitbit geteilt. Wir hoffen, dass die Weiterentwicklung dieser Angebote bald eine Unterstützung für möglichst viele Long COVID und ME/CFS Betroffene bieten kann.