Menschen mit Long COVID und Übergewicht sind doppelt belastet: Ihre Beschwerden sind oft schwerwiegender und langanhaltender, gleichzeitig haben sie ein erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen.
Eine 2024 veröffentlichte bevölkerungsbasierte Studie aus den Niederlanden hat gezeigt, dass Übergewicht das Risiko erhöht, mit COVID-19 infiziert zu werden.
Darüber hinaus zeigte eine grosse Meta-Analyse, dass ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) besonders in Kombination mit dem weiblichen Geschlecht und sozioökonomischer Benachteiligung ein Risikofaktor für die Entwicklung von Long COVID darstellt.
In einer weiteren Meta-Analyse wurden Entzündungsprozesse und Veränderungen der Immunantwort als mögliche Mechanismen beschrieben, die erklären könnten, warum Menschen mit erhöhtem BMI nach einer SARS-CoV-2-Infektion häufiger anhaltende Symptome entwickeln.
Ein britisches Forschungsteam hat nun untersucht, ob eine strukturierte Gewichtsreduktion auch Long-COVID-Symptome verbessern kann – zumindest bei ausgewählten Betroffenen. Die Ergebnisse sind differenziert zu betrachten.
Ziel der Studie
Die ReDIRECT-Studie (Remotely Delivered Weight Management for People with Long COVID and Overweight) sollte klären, ob ein professionell begleitetes, digitales Gewichtsreduktionsprogramm Long-COVID-Symptome verbessern kann.
Die Studie wurde vollständig online durchgeführt, mit insgesamt 234 Teilnehmenden aus dem Vereinigten Königreich, die länger als 12 Wochen an mindestens einem belastenden Symptom litten und gleichzeitig übergewichtig waren (BMI >27 kg/m² bzw. >25 kg/m² für südasiatische Personen).
Studienaufbau im Überblick
Design: randomisierte, kontrollierte Wartezeitenstudie
Intervention: 12 Wochen Diät (~850 kcal/Tag), gefolgt von Nahrungswiedereinführung und Erhaltungsphase
Kontrollgruppe: übliche Versorgung, spätere Teilnahme am Programm
Dauer: primäre Auswertung nach 6 Monaten
Primärer Endpunkt: Veränderung der vom Teilnehmenden selbst gewählten Hauptbeschwerde (z. B. Fatigue, Atemnot, Schmerz) auf einer standardisierten Skala
Ergebnisse: Leichte Verbesserung, aber nicht in allen Bereichen
Nach sechs Monaten zeigte sich ein statistisch signifikanter, aber kleiner Vorteil in der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Fatigue, das von mehr als der Hälfte der Teilnehmenden als Hauptbeschwerde genannt wurde, besserte sich in der Interventionsgruppe deutlicher (−7.5 Punkte) als in der Kontrollgruppe (−3.7 Punkte) auf der Chalder-Fatigue-Skala. Auch für Atemnot und depressive Symptome ergaben sich moderate Verbesserungen, wobei Letztere vor allem durch einen Rückgang der Depressions-Subskala bedingt waren. Für Schmerz zeigten sich hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (p = 0.1480).
Im Durchschnitt verloren Teilnehmende in der Interventionsgruppe 10.3 kg innerhalb von sechs Monaten. In der Kontrollgruppe blieb das Gewicht weitgehend stabil. Es wurden moderate Verbesserungen im systolischen und diastolischen Blutdruck gemessen. Teilnehmende berichteten eine verbesserte gesundheitsbezogene Lebensqualität (EQ-5D VAS), jedoch war der Unterschied im EQ-5D-Nutzwert nicht signifikant (p = 0.0725).
Was bleibt unklar?
Die Studie wurde in einer realitätsnahen Umgebung durchgeführt und hatte eine geringe Abbruchrate. Dennoch gibt es einige Einschränkungen:
Es existiert kein klarer Beweis dafür, dass die beobachteten Verbesserungen direkt durch den Gewichtsverlust zustande kamen. Eine explorative Analyse konnte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Gewichtsabnahme und Symptomverbesserung belegen. Die Symptomskalen waren zwar validiert, aber nicht spezifisch für Long COVID entwickelt.
Placeboeffekte oder die zusätzliche Betreuung durch Fachpersonal könnten ebenfalls zu den Verbesserungen beigetragen haben.
Fazit
Das ReDIRECT-Programm war sicher und führte bei vielen Teilnehmenden zu Gewichtsverlust und einer leichten Verbesserung belastender Symptome. Die Effekte waren jedoch eher moderat und nicht in allen Bereichen nachweisbar.
Für Betroffene mit Long COVID und gleichzeitigem Übergewicht kann ein professionell begleitetes Gewichtsreduktionsprogramm also eine unterstützende Massnahme sein – aber keine Garantie für eine nachhaltige Besserung. Weitere Studien sind notwendig, um zu klären, welche Mechanismen hinter den Effekten stehen, wie nachhaltig diese sind und für wen die Intervention besonders geeignet ist.