Uta Caduff, was sind Ihre wichtigsten Tipps für Long-COVID-Betroffene?
Wichtig ist, dass die Betroffenen nicht denken, dass sie es alleine schaffen müssen. Sie dürfen Hilfe annehmen und Probleme ansprechen. Die Betroffenen können lernen, den Status des oder der Kranken für sich einzufordern, und zwar im Beruf und im privaten Umfeld.
Das bedeutet?
Viele Betroffene tendieren dazu, mit der Krankheit anders umzugehen, weil man die Beschwerden nicht gut sieht. Betroffene haben z.B. Skrupel, den Chef zu fragen, ob sie eine Pause machen oder sich die Arbeit anders einteilen können. Da ist es manchmal angezeigt, über seinen Schatten springen, die Ansprüche an sich selbst zu hinterfragen und sich nicht ständig zu rechtfertigen. Dazu möchten wir die Betroffenen befähigen.
Was bezweckt eigentlich eine Ergotherapie?
Das Ziel einer Ergotherapie ist es, Menschen in ihrer Handlungsfähigkeit im Alltag zu unterstützen und damit ihre Lebensqualität zu verbessern. Die Ergotherapie legt dabei den Fokus auf Tätigkeiten und Aufgaben der jeweiligen Person. Die Behandlung ist von der Krankenkasse anerkannt und basiert auf einer dreijährigen Ausbildung an einer Fachhochschule.
Was ist der Unterschied zu einer Physiotherapie?
Wir arbeiten nicht primär mit den Körperstrukturen. Wir konzentrieren uns darauf, die Funktionalität z.B. für den Beruf, die Hobbies, den Haushalt und die Körperpflege sicherzustellen. Die Physiotherapie kommt hingegen zum Zug, wenn es um Dinge wie Unterstützung bei Belastungssteigerung oder Atemtherapie bei Fatigue geht.
«Bei Long COVID-Betroffenen kann man davon ausgehen, dass sich mit der Ergotherapie einige Einschränkungen vermindern lassen.»
Welche Patienten kommen wegen Long COVID zu Ihnen?
Nach einer COVID-19-Infektion ist Fatigue ein grosses Thema. Das kann alle betreffen: Wir sehen sehr aktive und weniger aktive Personen, Gymischüler und Pensionierte, IV-Rentnerinnen und Manager.
Wie können Sie Long-Covid-Betroffenen unterstützen?
Wir bieten Schulungen in Gruppen zum Thema Energiemanagement an für Long-COVID-Betroffene, die unter Fatigue leiden. Dieses Angebot hat sich bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen bewährt. Für die Behandlung spielt es keine Rolle, was die Ursache einer Fatigue ist. Bei Long-COVID-Betroffenen kann man davon ausgehen, dass sich mit der Ergotherapie einige Einschränkungen vermindern lassen.
Wie gut gelingt das?
Wir haben hier noch keine wissenschaftliche Evidenz, können jedoch auf «Best Practice» und die Rückmeldungen der Patienten zurückgreifen, die wir strukturiert erheben.
Betroffene lernen bei uns, nicht über ihr Maximum hinauszugehen. Viele Betroffene überschreiten regelmässig ihre Grenzen und riskieren damit starke Energieeinbussen, von den Betroffenen oft «Crash» genannt. «Crashes» sollten möglichst vermieden werden, da sie dazu beitragen können, dass sich die Beschwerden langfristig verschlimmern.
«Betroffene beissen sich oft bei der Arbeit durch und sparen dafür bei den Hobbies.»
Was machen die Betroffenen in dieser Energiemanagementschulung?
Die Schulung für Personen mit Fatigue besteht aus einer Gruppentherapie mit sieben Lektionen. Dabei lernen die Teilnehmenden, wie sie ihre Tätigkeiten anpassen können, damit diese weniger Energie erfordern. Dazu gehört zum Beispiel, wie man den Tag strukturiert, wo man Pausen einlegen sollte, aber auch das Führen eines Tagebuchs und Tipps, wie man die Erschöpfungsprobleme am besten thematisiert und erklärt. Es geht nicht darum, nichts zu machen, sondern das, was man macht, clever zu machen.
Was kann man bei Fatigue mit Ergotherapie erreichen?
Wir können in der Ergotherapie die Ursachen der Fatigue nicht behandeln. Aber wir können zeigen, wie man auch mit geringen Energiereserven sparsam umgehen kann. Wer unter Fatigue leidet, beisst sich oft bei der Arbeit durch und macht dafür Abstriche bei den Hobbies. Wir schauen gemeinsam, wo die Betroffenen ein paar Dinge abgeben und den Alltag anders organisieren können, damit sie geliebte Tätigkeiten wieder ausüben können. So können Patienten wieder etwas für sich selbst tun, was ihnen Freude bereitet und oft zur subjektiven Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.