Belastungstests: Die Dos and Don’ts

Belastungstests: Die Dos and Don’ts

Für Diagnose und Verlaufskontrolle sind sie wichtig: Belastungstests. Doch bei Long COVID können sie auch gefährlich sein. Worauf sollten Ärzte achten?

Belastungstests sind ein grosses Thema unter Betroffenen von Long COVID. Manche fürchten, nach einer Überanstrengung einen Crash zu erleiden und in der Genesung zurückgeworfen zu werden. Auch Ärztinnen und Ärzte sind verunsichert, wie sie vorgehen sollen. Zeit für ein klärendes Gespräch mit Claudia Steurer-Stey.

Claudia Steurer-Stey (Prof. Dr. med.) ist Fachärztin für Innere Medizin und Pneumologie. An der Universität Zürich leitet sie am EBPI Projekte im Bereich «Chronic Care». Sie hat u.a. ein nationales Konzept zu COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Asthmamanagement und Patientencoaching miterarbeitet. In der mediX-Gruppenpraxis in Zürich praktiziert sie als Pneumologin und Hausärztin und hat so regelmässig Kontakt sowohl mit Patientinnen und Patienten als auch mit anderen Fachkollegen. Claudia Steurer-Stey ist Mitglied im Experten-Board von Altea.

 

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung  hinzugefègt auch im CMS

Claudia Steurer-Stey, welche Belastungstests werden im Zusammenhang mit Long COVID angewendet?

Das ist in der Praxis vor allem der Sit-to-Stand-Test (STST). Beim 1-Minuten STST hat der Proband eine Minute Zeit, um bei einem selbst gewählten Tempo so oft wie möglich von einem Stuhl aufzustehen und sich wieder hinzusetzen. Das Resultat dieses Tests ist die Anzahl der in einer Minute komplett durchgeführten Wiederholungen unter standardisierten Bedingungen.

Was gibt es sonst noch?

Dann gib es den 6-Minuten-Gehtest. In einem mindestens 30 Meter langen Korridor geht der Patient nach einer ausführlichen standardisierten Einweisung auf einer Pendelstrecke um zwei Wendemarken hin und her. Der Patient bestimmt die Gehgeschwindigkeit und damit die Belastungsintensität selbst.

Schliesslich gibt es noch die Spiroergometrie, die nur spezialisierte Kliniken anbieten.

Die Botschaft «es geht aufwärts» kann enorm viel Zuversicht spenden.

Warum macht man diese Tests überhaupt? Sie sind ja nicht ganz ungefährlich.

Die Tests dienen zur Erhebung der körperlichen Belastbarkeit. Sie ermöglichen eine wertvolle und gute Einschätzung der körperlichen alltagsnahen funktionellen Leistungsfähigkeit. Sie liefern klinisch relevante Aussagen zur Verlaufskontrolle oder auch zur Evaluation einer Intervention, wie zum Beispiel neue Medikation oder Rehabilitation. Die Verlaufskontrolle kann ausserdem motivieren: Die Botschaft «es geht aufwärts» kann enorm viel Zuversicht spenden.

Porträtbild Claudia Steurer-Stey

Claudia Steurer-Stey ist Hausärztin, Lungenspezialistin und Professorin an der Universität Zürich.

Es gibt aber Berichte von Patienten, die nach dem Test einen Zusammenbruch hatten und dadurch zurückgeworfen wurden.

Bei mir in der Praxis ist das bis jetzt zum Glück noch nicht passiert. Es ist natürlich wichtig, ein paar Dinge zu beachten. Wie immer gilt der Grundsatz: primum nihil nocere (Zuallererst nicht schaden).

Worauf achten Sie?

Als erstes gut zuhören: Welches sind die Beschwerden im Alltag? Hier sind nebst der Anamnese der physischen Beschwerden auch die kognitive und soziale Ebene wichtig. Wie ist die Alltags-Belastbarkeit? Welche Beschwerden bestehen nach Belastung, wann treten Sie auf, wie lange halten sie an? Wie steht es um körperliche oder mentale Müdigkeit, den Schlaf?

«Im Zweifelsfall verzichte ich auf den Test.»

Dann erhebe ich die Vitalzeichen wie Blutdruck, Puls und messe die Sauerstoffsättigung in Ruhe. Bei einer Ruhesättigung von unter 97% verzichte ich eher auf den Test. Ebenso, wenn im Gespräch rauskommt, dass schon kleine kurze Belastungen im Alltag zu einem Aufflammen der Symptome führen (PEM)   oder nicht ganz klar ist, ob ein Herzproblem zugrunde liegen könnte.

Und bei der Durchführung?

Ich messe parallel die Sauerstoffsättigung. Wenn die Sättigung während des Tests um 3% abfällt, breche ich den Test ab. Das gleiche gilt, wenn die Herzfrequenz zu schnell zu hoch steigt, oder Brustschmerzen oder Schwindel auftreten.

Ausserdem sollte man nicht nur die Akutreaktion beobachten. Zunächst messe ich die Sättigung noch 2 bis 3 Minuten weiter nach dem Testende. Und dann ist wichtig, dass sich die Betroffenen gut beobachten: Treten innerhalb von 12 bis 24 Stunden Symptome auf? Wie lange halten sie an?

«Begegnen Sie Ihrer Ärztin auf Augenhöhe als aufgeklärter, aktiver Patient.»

Das braucht wohl einiges an Erfahrung.

Wichtig ist, dass der Test standardisiert durchgeführt wird. Der COPD Pocket Guide der Lungenliga (Seite 12) bietet hilfreiche Informationen zum STST und weiterführende Literatur. Richtig durchgeführt, ist der STST ein wenig aufwendiger und valider Test, den ich bei Long COVID unter Berücksichtigung der genannten Vorsichtsmassnahmen als hilfreich erachte.

Und wenn sich jemand dabei nicht wohlfühlt?

Als Patientin: Sie sind die Expertin für sich selbst. Begegnen Sie dem Arzt auf Augenhöhe und sagen Sie ihm, wenn Sie das Gefühl haben, dass sie sich nicht gut genug fühlen für einen Test. Als Ärztin: Versuchen Sie niemanden zu überreden. Und hören auch Sie auf Ihr Bauchgefühl: Im Zweifelsfall können Sie sich mit Kollegen austauschen oder an Spezialisten verweisen.

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