Physiotherapeutin mit Long COVID: Nach 8 Monaten sportlich wieder fit

Physiotherapeutin mit Long COVID: Nach 8 Monaten sportlich wieder fit

Physiotherapeutin Simona Kopp war wegen Long COVID monatelang stark eingeschränkt. Ein Atemtraining brachte die Wende. Noch immer verändert ist das Riechen.

Simona Kopp ist eine sportliche Frau: 4500 Kilometer legt die 30-Jährige pro Jahr auf dem Velo zurück. Ihre Corona-Infektion im März 2020 verlief relativ mild, «es ging mir nie richtig schlecht», erzählt Kopp. Sie war auch nicht beunruhigt, als sie zwei Wochen später noch geschwächt war, schon einen Spaziergang oder zwei Stockwerke Treppenlaufen ungewohnt angestrengt fand. Schliesslich weiss Simona Kopp als Physiotherapeutin, dass man die Fitness langsam wieder aufbauen muss, wenn man nach einer Infektion oder einem Unfall geschwächt war.

«Ich fragte mich immer öfters: Hey, was ist los mit meiner Lunge?»

Doch es wurde irgendwie nicht besser. 20 Minuten Joggen reichten, und Simona Kopp hatte danach mehrere Stunden das Gefühl, sie bekomme nicht genügend Luft. «Die Ärzte sagten, ich müsse halt Geduld haben. Aber als auch nach drei Monaten keine Besserung eintrat, fragte ich mich immer öfters: ‹Hey, was ist mit meiner Lunge?›», erzählt Kopp. Auch ihrem Partner fiel ihre deutlich verminderte Leistungsfähigkeit auf den gemeinsamen Biketouren auf. 

Entscheid für Belastungstest 

Simona Kopp entschied sich für einen Belastungstest, die sogenannte Spiroergometrie (Erklärung dazu in diesem Blog). Ein solcher Entscheid sollte bei Long COVID zusammen mit einer Fachperson getroffen werden: Überbelastungen können bei manchen Betroffenen zu einem Crash führen, der sie tagelang zurückwirft (die Post-Exertional Malaise PEM). Dies vermutlich vor allem dann, wenn sie diese Art von Belastungsintoleranz schon aus dem Alltag kennen. 

Doch bei Simona Kopp war das nicht der Fall: Ihre Atemnot ging 2, 3 Stunden nach der Belastung jeweils wieder weg, ohne dass sie danach tagelang flach lag. Sie konnte auch immer ihr volles Pensum von 90 % arbeiten. Wenn kein Problem mit PEM besteht, kann ein Belastungstest sinnvoll sein und wertvolle diagnostische Hinweise liefern (siehe den Blogbeitrag dazu).

«Ich war froh zu hören, dass soweit alles in Ordnung ist und ich mich belasten darf.»

Simona Kopp absolvierte also eine Spiroergometrie: In einem definierten Belastungsprotokoll musste sie ihre Leistung auf einem Fahrradergometer stetig steigern, bis sie nicht mehr konnte. Die Laktatmessung zeigte, dass den Muskeln viel zu schnell der Sauerstoff ausgeht. «Ich musste den Test viel früher abbrechen, als ich es aufgrund meiner Erfahrung erwartet hätte», erzählt Simona Kopp. Dass sie danach wieder für ein paar Stunden Kurzatmigkeit gespürt habe, sei für sie nicht beunruhigend gewesen: «Ich wusste mittlerweile, dass dies nur vorübergehend ist.» 

Organe in Ordnung 

Kopp konnte die Resultate mit einem Arzt besprechen. Herz und Lunge zeigten keine Auffälligkeiten. «Aus seiner Sicht konnte ich weitertrainieren. Ich war froh zu hören, dass ich damit nichts riskiere.» Der Belastungstest war also eine Standortbestimmung, die Sicherheit vermittelte. Simona Kopp begann sachte mit Intervalltraining. Den grossen Fortschritt brachte aber eine andere Methode.

Training für die Lunge: Simona Kopp übte mehrmals wöchentlich mit einem Atemmuskeltrainingsgerät namens «Spiro-Tiger». (Bild: privat)

Aufgrund ihres Arbeitsortes in der Physiotherapie an der Universitätsklinik Balgrist wusste Simona Kopp, dass es Trainingsgeräte für die Atemmuskulatur gibt. Mehrmals in der Woche trainierte sie so das Atmen gegen einen erhöhten Widerstand. Teilweise kombinierte sie das Atemtraining mit einem anschliessend Intervall-Training (kurze, definierte Belastungsphasen) auf dem Velo. 

«Ich war froh, dass ich eine Trainingsmethode gefunden hatte, bei welcher ich Fortschritte wahrnehmen konnte. Denn nur zu warten und zu hoffen, dass es irgendwann besser wird, ist sehr schwierig», erzählt Kopp. 

Mit Erfolg: Gut drei Monate später fühlte sie sich wieder relativ fit. Sie machte noch einmal eine Spiroergometrie – und man sah eine deutliche Verbesserung in den Werten. Sie konnte sogar am Nationalpark Bike-Marathon teilnehmen und war mit ihrer Leistung zufrieden: «Meine Lunge hatte sich zu 90 Prozent wieder erholt.»

Das grosse Ziel erreicht: Simona Kopp kann wieder biken. (Bild: zVg)

Nach rund acht Monaten fühlte sich Simona Kopp wieder fit. Alles in Butter also? Nicht ganz: Der Geruchssinn hat sich auch knapp zwei Jahre nach der Infektion noch nicht vollständig normalisiert. «Mittlerweile bin ich bei etwa 80 Prozent», schätzt Kopp. Zuerst war der Sinn komplett weg, dann wurde es zügig besser, um später zu stagnieren. Nun kommen manche Gerüche plötzlich zurück – etwa eine frisch gemähte Wiese. 

Nicht mehr wie vorher 

Andere Gerüche haben sich verändert. «Eine Banane schmeckt nicht mehr so wie früher. Sondern nach etwas, was ich vorher nicht kannte, gar nicht recht beschreiben kann.» Duschmittel und Body Lotion musste Kopp wechseln, deren Geruch ekelte sie. Rohe Zwiebel geht gar nicht, und sie isst nur noch dunkle Schokolade – alles andere ist viel zu süss. «Mein Partner schmeckt beim Kochen jetzt jeweils ab», sagt Simona Kopp. 

Auch wenn sie sich wieder fit fühlt – die Langzeitfolgen ihrer Covid-Infektion ist sie immer noch nicht ganz los. «Niemand kann mir sagen, ob sich der Geruchs- und Geschmacksinn jemals wieder ganz erholen wird. Deshalb akzeptiere ich die Geschmacksveränderungen für den Moment.»