Viele Menschen mit Long COVID leiden noch Monate nach der Erstinfektion unter anhaltenden neurologischen und psychologischen Symptomen. Zu den am häufigsten berichteten Symptomen gehören Fatigue, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme und Muskelschmerzen. Viele Betroffene berichten auch über Depressionen, Angstzustände und sensorische Störungen wie den Verlust von Geschmack und Geruch.
Eine grosse Kohortenstudie mit 236 379 Menschen mit einer nachgewiesenen COVID-19-Infektion ergab, dass nach sechs Monaten bei 34 % der Studienteilnehmer eine neurologische oder psychiatrische Diagnose gestellt wurde. Diese Ergebnisse unterstreichen die erheblichen langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf das Gehirn und das Nervensystem.
Viele Patienten zeigen Symptome, die normalerweise nicht mit einem Atemwegsvirus in Verbindung gebracht werden. Die transkranielle Stimulation, ein nicht-invasiver Therapieansatz, könnte bei der Behandlung dieser Symptome bei Long COVID-Betroffenen von Nutzen sein.
Nicht-invasive Hirnstimulation kurz zusammengefasst
In der Psychiatrie gehören zu den traditionellen Behandlungen Medikamente wie Antidepressiva, physikalische Methoden wie die Elektrokrampftherapie (kurze elektrische Stimulation des Gehirns) und Psychotherapie wie die kognitive Verhaltenstherapie. Diese Behandlungen können dem Gehirn helfen, sich neu zu vernetzen und die Freisetzung positiver Neurotransmitter zu fördern. Sie sind jedoch nicht für jeden geeignet.
In den letzten zehn Jahren sind neue nicht-invasive Hirnstimulationsmethoden aufgetaucht, wie die transkranielle Magnetstimulation (TMS), die transkranielle Pulsstimulation (TPS) oder die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS).
Kurz gesagt handelt es sich bei diesen Methoden um nicht-invasive, fortschrittliche Behandlungen, bei denen elektromagnetische Reize eingesetzt werden, um bestimmte Teile des Gehirns zu stimulieren. Dies ist ein schmerzfreier Ansatz, der Menschen helfen kann, die aufgrund von Erkrankungen wie Long COVID unter kognitiven Beeinträchtigungen leiden.
Die drei genannten Techniken verwenden unterschiedliche elektromagnetische Signale. Während bei der TMS ein Magnetfeld zur Stimulation des Gehirns eingesetzt wird, verwendet die TPS ein gepulstes elektromagnetisches Feld und die tDCS einen konstanten elektrischen Gleichstrom. Die Stimulation des Gehirns ist je nach Technik unterschiedlich.
TMS und TPS haben eine unmittelbarere, eher kurzweilige Wirkung auf das Gehirn und können tiefere Regionen erreichen, während die tDCS eine länger anhaltende Wirkung zu haben scheint. Ausserdem hat die magnetische Stimulation mit TMS eine lokalere Wirkung auf die Gehirnaktivität als Techniken, bei denen elektrischer Strom zur Stimulation verwendet wird (TPS und tDCS). Alle diese Techniken haben in klinischen Studien positive Auswirkungen auf kognitive Beeinträchtigungen gezeigt.
Nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren haben sich bei neurologischen und psychiatrischen Störungen als wirksam erwiesen
Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) beispielsweise hat bei Alzheimer-Patientinnen bereits nach kurzer Behandlungsdauer eine Verbesserung von Kognition, Gedächtnis und Depression gezeigt. Sie wurde als potenzielle Behandlungsmethode für verschiedene neurologische Störungen untersucht, darunter Depressionen, Alzheimer, Parkinson und Autismus-Spektrum-Störungen.
Die transkranielle Magnetstimulation hat sich gemäss den europäischen Empfehlungen (2020) bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen, motorischen Schlaganfällen und Depressionen als wirksam erwiesen und kann die Symptome von Patienten mit Fibromyalgie, Parkinson, Aphasie nach Schlaganfällen, Multipler Sklerose und posttraumatischer Belastungsstörung lindern.
Ähnlich wie TMS und TPS hat sich auch die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) als wirksame Behandlung für verschiedene neurologische und psychiatrische Störungen erwiesen. Darüber hinaus wurde bei Menschen, die aufgrund von Multipler Sklerose an Fatigue leiden, eine signifikante Verbesserung der Fatigue beobachtet, was die tDCS für die Behandlung von Long COVID besonders interessant macht.
Da die Technologien noch sehr neu sind, sind weitere Studien erforderlich, um ihre Auswirkungen auf Patientinnen mit neurologischen Symptomen nach einer Coronavirus-Infektion vollständig zu verstehen.
Nicht-invasive Hirnstimulationsmethoden werden derzeit in klinischen Studien zur Behandlung von Long COVID-Patientinnen mit kognitiven Beeinträchtigungen untersucht
In mehreren klinischen Studien wird derzeit der Nutzen nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden für Long COVID-Patienten, die unter kognitiven und neurologischen Symptomen oder Müdigkeit leiden, untersucht. Klinische Belege für diese Interventionen sind jedoch noch rar. Dennoch deuten einige Fallstudien und Beobachtungen aus der Praxis auf einen möglichen Nutzen hin.
Eine kleine Real-World Analyse aus Japan, an der 23 Betroffene teilnahmen, zeigte positive Auswirkungen von TMS auf depressive Symptome, chronische Fatigue und kognitive Beeinträchtigungen, die durch Long COVID verursacht wurden.
Darüber hinaus konnte in einer Studie über die Wirksamkeit von hochauflösender tDCS bei 70 Patienten mit Long COVID-bedingter Fatigue gezeigt werden, dass die Behandlung Fatigue- und Angstsymptome der Teilnehmenden verringert und damit ihre Lebensqualität verbessert.
Auf dieser Grundlage stellt die nicht-invasive Hirnstimulation einen möglichen Trend bei der Behandlung hirnbezogener Krankheiten und psychiatrischer Symptome dar. Diese Methoden könnten insbesondere für Betroffene nützlich sein, die auf andere Behandlungen nicht angesprochen haben.
Für aussagekräftigere Ergebnisse benötigen wir jedoch grössere und anspruchsvollere Studien. In der Praxis ist der Einsatz nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden komplex und erfordert Kenntnisse in Neurowissenschaften und Neurologie. Daher kann die Anwendung, um die Sicherheit zu gewährleisten, nur von Spezialisten durchgeführt werden.