Warum engagieren Sie sich im Experten-Board von Altea?
Wir haben im Tessin im Juni 2021 mit einer Long-COVID-Sprechstunde im Spital in Locarno gestartet. Dafür haben wir uns über unterschiedliche Kanäle Informationen zu Long COVID beschafft und sind dabei auf Altea gestossen.
So ist der Kontakt mit Altea entstanden und ich wurde schliesslich angefragt, ob ich im Experten-Board mitwirken möchte. Zu Beginn hätte ich mich nicht als «Experte» auf dem Gebiet bezeichnet, doch mittlerweile habe ich viel Erfahrung mit den Betroffenen aus erster Hand. Nicht zuletzt war ich selbst von Long COVID betroffen und es ist mir ein Anliegen, anderen helfen zu können.
Was ist Ihr fachlicher Bezug zu Long COVID?
Als Internist, Hausarzt und Sportmediziner habe ich verschiedene Verbindungen zu Long COVID. Die drei Bereiche spielen alle eine Rolle bei der Therapierung von Corona-Langzeitfolgen. Besonders meine Erfahrungen am Centro Cantonale di Medicina dello Sport EOC in Tenero kann ich in den Behandlungen gut einsetzen.
Denn unabhängig davon, ob Betroffene vor Long COVID sportlich aktiv oder inaktiv waren, ist Bewegung in der Therapie wichtig. Es geht also darum, Betroffene behutsam wieder an physische Aktivität heranzuführen. Das können je nach Zustand ganz unterschiedliche Dinge sein, von der Treppe im eigenen Haus bis zu längeren Spaziergängen. Auch wer vorher sportlich aktiv war, braucht bei der Rückkehr zum Sport eine sorgfältige Begleitung, um Rückfällen vorzubeugen. Das geht von der Vorbereitung wie beispielsweise Stretching, über Anleitungen zu verschiedenen Bewegungsabläufen (Länge, Dauer, Intensität) bis hin zur eigentlichen Umsetzung. Wichtig ist, dass dies «nach Mass» geschieht und nicht überfordert.
«Es ist zentral, dass die Bewegungstherapie auf die einzelnen Personen zugeschnitten ist.»
Portrait: Gian Antonio Romano, Internist, Hausarzt und Sportmediziner. (Bild: privat)
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Long COVID gesammelt?
Long COVID habe ich auf zwei Seiten kennengelernt: Erstens bin ich im Oktober 2020 selbst an COVID-19 erkrankt und habe danach an Long COVID gelitten. Dies hat sich insbesondere durch Atemnot und extreme Erschöpfung bemerkbar gemacht. Vorher hatte ich mindestens 4-6 Stunden pro Woche Sport getrieben, nachher konnte ich teilweise kaum mehr eine Treppe hochgehen.
Zweitens habe ich zusammen mit Rita Monotti die Long-COVID-Sprechstunde am Regionalspital La Carità, EOC, Locarno ins Leben gerufen. Wir haben mittlerweile um die 80 Patientinnen und Patienten betreut. Normalerweise sehe ich die Patienten nur zwei- bis dreimal. Denn unser Ziel ist es, so eng wie möglich mit den Hausärzten zusammenzuarbeiten. Das bedeutet, dass wir den Betroffenen mögliche Therapien vorschlagen und Anleitungen geben, die sie dann gemeinsam mit ihrem Hausarzt umsetzen können. Die Ansätze sind von Person zu Person sehr unterschiedlich und gehen von Atemtherapie über Akupunktur, Yoga und Meditation bis zu Riech- und Bewegungstherapie.
Ausserdem haben wir einmal pro Monat einen Austausch mit verschiedenen Fachärztinnen und Spezialisten. Dort diskutieren wir Fälle von Patienten und mögliche Behandlungen und teilen auch die Informationen aus den Altea Experten-Board-Calls.
«Meine eigene Long-COVID-Erkrankung hilft mir, die Patienten besser zu verstehen.»
Wie blicken Sie in die Zukunft mit Bezug auf Long COVID?
Was die Zukunft von Long-COVID angeht bin ich eher skeptisch. Es wird sich zeigen, wie die Langzeitfolgen von Omikron sind. Aber ich habe bereits einige Personen gesehen, bei denen eben solche wahrscheinlich sind. Das macht mir Sorgen.
Ausserdem erfahren wir vermehrt von Diskussionen mit Versicherungen über die Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit. Da müssen wir die Patienten teilweise verteidigen oder sie mit Gewerkschaften und Spezialisten in dem Bereich in Verbindung setzen. Ich hoffe, dass sich da passende Lösungen für alle finden lassen.
Wofür begeistern Sie sich als Privatperson?
Neben meinem Job als Arzt bin ich Präsident der Organisation Kam For Sud in Nepal. Die Organisation ist seit 24 Jahren aktiv und hat bereits viel erreicht. Im letzten Jahr konnten wir in der akuten Corona-Phase Sauerstoffkonzentratoren nach Nepal befördern, weil keine Sauerstoffflaschen zu finden waren. Das war eine grosse Hilfe für mehrere regionale Spitäler.
Ansonsten sind meine Interessen sehr vielseitig. Sport ist ein grosser Teil in meinem Leben. Im Sommer bin ich oft mit dem Velo unterwegs, im Winter auf Skitouren oder beim Langlauf. Ich interessiere mich ausserdem für Natur- und Portrait-Fotografie und singe aktiv in einem Chor.
Gian Antonio Romano ist Internist, Hausarzt und Sportmediziner. Er leitet zusammen mit Rita Monotti die Long-COVID-Sprechstunde am Regionalspital La Carità, EOC, Locarno.
Durbar Square: Seine Erlebnisse hält Gian Antonio Romano gerne fotografisch fest, hier einen Patan Durbar Square Kathmandu in Nepal. (Bild: privat)