Es war Mitte letzten Oktober, als der Sohn von Angelina Brupbacher an COVID-19 erkrankte. «Das Schlimmste war anfänglich die Übelkeit», erzählt Brupbacher am Telefon. «Zwei Monate lang lief unser Sohn den ganzen Tag mit dem ‹Chotzbecki› herum.»
Ständiges Auf und Ab
Jetzt geht es diesbezüglich besser, doch geblieben ist ein Fatigue-Syndrom: Mattia ermüdet rasch und hat Mühe, sich zu konzentrieren Der Zustand bleibt unberechenbar. «Gestern war ein super Tag, vorgestern war es ganz schlecht, und heute läuft’s soso lala», sagt Brupbacher. In Wirklichkeit heisst sie anders*. Das Thema Long COVID bei Kindern ist ihr wichtig, doch sie möchte ihren Sohn nicht unnötig exponieren.
Was der Mutter Angst macht, ist der Gedanke: Dieser Zustand der Erschöpfung könnte chronisch werden. Deshalb achtet sie darauf, dass sich der Sohn nicht überanstrengt. Für eine Lektion Mathematik pro Tag geht er in die Schule. Den Rest übernimmt Angelina Brupbacher im Fernunterricht zu Hause. «Auch Kinder sind heute schon leistungsorientiert», sagt sie. «Ein 11-Jähriger spürt seine Grenzen noch nicht so gut. Deshalb muss ich schauen, dass wir aufhören, bevor er die Erschöpfungsgrenze erreicht.»
Erfahrung mit chronischer Fatigue
Angelina Brupbacher weiss aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, die Anstrengung zu dosieren. Sie leidet selbst am chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). Diagnostiziert wurde es kurz vor dem Ausbruch der Pandemie. Sie hatte Karriere gemacht, ihr Mann engagierte sich stärker im Haushalt. Nun haben sie die Rollen getauscht. Bei wiederholter Überanstrengung droht die Fatigue chronisch zu werden. Insofern ist es ein Glück, dass Brupbacher sich in diesem Feld schon auskennt. Doch die richtige Balance zwischen Bremsen und Fördern zu finden, bleibt eine Herausforderung. «Er hat die Intelligenz und den Willen – aber dann fehlt ihm der ‹Pfuus›. Das zu beobachten, ist manchmal hart.»
«Die Ärztin sagte: ‹Du musst unbedingt wieder mit Freunden abmachen!› Dadurch geht es ihm psychisch deutlich besser.»
Gute Erfahrungen hat Familie Brupbacher mit der Hausärztin und der Schule gemacht. «Die Hausärztin hat uns immer ernstgenommen und uns zugehört. Wenn ich von einer neuen Studie erzählte, von der ich gelesen hatte, nahm sie das auf und nahm entsprechende Abklärungen vor.»
Ganz wichtig sei gewesen, dass die Ärztin ihrem Sohn gesagt habe: «Du musst unbedingt mit Freunden abmachen!» Denn im ersten Monat habe er sich das nicht getraut – schliesslich ging er auch nicht zur Schule. In der Vereinzelung entwickelte der Sohn depressive Symptome. Nun geht es ihm dank Kontakten zu Gleichaltrigen wieder besser.
«Ich sage mir immer wieder: ‹Er wird gesund!› Man muss lernen, zum Optimisten zu werden.»
Auch die Schule war entgegenkommend und stimmte einer individuellen Lösung zu. «Man kannte mich in der Schule, und mein Sohn war fleissig. Das hat sicher geholfen. Doch wie hätte die Schule wohl reagiert, wäre er schon früher ein auffälliges Kind gewesen?» sagt Brupbacher. Sie spricht damit ein wichtiges Anliegen an: Die institutionelle Anerkennung von Long COVID. «Das wird eines der grossen Themen für die Zukunft», ist Brupbacher überzeugt.
Das Wichtigste für Angelina Brupbacher ist: positiv bleiben! «Wir versuchen, viel gemeinsam zu lachen. Ich sage mir immer wieder: ‹Er wird gesund!›» Man müsse lernen, zum Optimisten zu werden – «das tut dem Kind und der ganzen Familie gut.»
Zweite Infektion
Und zwar auch dann, wenn unterwegs Rückschläge lauern. Mattia hatte nämlich das Pech, sich im März schon wieder anzustecken – diesmal mit der britischen Variante. Trotz allem schmiedet die Familie auch Pläne für die Zukunft: «Ich freue mich auf gesündere Zeiten – und wir träumen von Familienferien.»