Warum engagieren Sie sich im Experten-Board von Altea?
Auch wenn Long COVID für die Betroffenen tragisch ist, ist es aus therapeutischer Sicht auch sehr spannend und herausfordernd. Denn das Coronavirus hat uns alle in eine äusserst unsichere Situation gebracht. Es stellen sich viele Fragen: Was ist vernünftig? Wie entwickelt sich Long COVID? Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Betroffenen?
Als Präsident von LUNGE ZÜRICH war für mich klar, dass wir etwas unternehmen und ein Angebot schaffen müssen. So haben wir im November 2020 den Startschuss für Altea gegeben.
Was ist Ihr fachlicher Bezug zu Long COVID?
Ich bin Lungenspezialist, Internist und Schlafmediziner. Die Symptome von Long COVID sind vielseitig – und jeder dieser Fachbereiche hat einen Zusammenhang mit Long COVID.
Ausserdem habe ich mich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Chronic Fatigue Syndrom auseinandergesetzt. Die Problematik ist dort eine ähnliche: die Betroffenen fühlen sich häufig nicht verstanden.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Long COVID gesammelt?
Wie in vielen anderen Spitälern auch, gibt es im See-Spital Horgen eine Post- bzw. Long-COVID-Sprechstunde. Eine solche Anlaufstelle ist wichtig und wir sehen, dass es eine erfolgreiche Sache ist.
Zwar verstehen wir die Zusammenhänge (noch) nicht genau, doch es werden Erfolge erzielt. Wichtig ist, dass die Betroffenen ernst genommen werden und sich auch ernst genommen fühlen. Durch therapeutische Massnahmen, wie beispielsweise Pacing, kann sich der Zustand verbessern. Meine Erfahrung und auch die von vielen Kollegen ist die, dass mit sich Zeit nehmen für die Patienten und ihnen Wege aufzeigen, wie sie mit den Einschränkungen umgehen können, schon viel erreicht werden kann. Bei den meisten Patienten verbessert sich ihr Zustand dann im Verlauf der Zeit.
«Die Long-COVID-Sprechstunde ist eine erfolgreiche Sache.»
Wie blicken Sie in die Zukunft mit Bezug auf Long COVID?
Mit der Impfung werden hoffentlich auch weniger COVID-19-Fälle und somit auch weniger Long-COVID Patienten entstehen. Das Coronavirus wird uns noch lange beschäftigen. Wir müssen lernen damit zu leben. Damit wird auch deutlich, dass es Long-COVID leider auch weiterhin geben wird.
Dennoch gehe ich davon aus, dass sich die Form und Intensität verändern wird. Ich sehe in Zukunft vereinzelte spezialisierte Abteilungen und Praxen, die sich um Long-COVID-Patienten kümmern. Essenziell ist dabei ein interprofessioneller Ansatz zwischen Therapeuten und verschiedenen Fachärzten.
Wofür begeistern Sie sich als Privatperson?
Ich bin Vater von drei Kindern und verbringe gerne Zeit mit meiner Familie. Ansonsten bin ich angefressener Sportler: Velofahren, Tennis, Skifahren. Wenn es die Zeit erlaubt, besuche ich Kunstmuseen und Konzerte oder lese ein spannendes Buch.
Alexander Turk ist Präsident von LUNGE ZÜRICH und Chefarzt Innere Medizin am See-Spital Horgen. Neben innerer Medizin liegen seine Fachgebiete in Lungenerkrankungen und der Schlafmedizin.