Warum Frauen häufiger unter Long COVID leiden

Warum Frauen häufiger unter Long COVID leiden

Frauen sind wohl häufiger von Long-COVID betroffen. Forschende erklären sich das durch die unterschiedliche Immunantwort von Männern und Frauen.

Seit einem Jahr verdichten sich Hinweise, dass einer der wichtigsten Risikofaktoren für Long COVID das weibliche Geschlecht ist. Bis zu vier von fünf Betroffenen könnten Frauen sein. Andere Studien sprechen von einem doppelt so hohen Risiko für Frauen, an Long COVID zu erkranken.

Vor allem Frauen mittleren Alters

Bereits im Juni 2020 beobachteten Forscher in Frankreich, dass Frauen – im Wesentlichen Frauen um die 40 Jahre ohne relevante medizinische Erkrankungen – ein vier Mal grösseres Risiko haben, dass ihre COVID-19-Symptome nicht vollständig abklingen. In den letzten 12 Monaten haben Langzeitbeobachtungen von COVID-19-Infizierten in Bangladesch, Russland, den USA und Grossbritannien bestätigt, dass Frauen im jungen bis mittleren Alter überproportional betroffen sind.

Plötzlich Konzentrationsschwierigkeiten und «Brain Fog»: Auch das ist eines der Symptome von Long COVID. Frauen leiden häufiger darunter.

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Eine britische Untersuchung zeigt, dass Frauen unter 50 Jahren sich nach einer COVID-19-Infektion fünfmal seltener erholt fühlten, doppelt so häufig über Erschöpfung klagten, siebenmal mehr unter Kurzatmigkeit litten und häufiger körperlich beeinträchtigt waren als Männer gleichen Alters. Eine andere Studie bestätigte, dass sich Frauen nach einer Hospitalisierung weniger schnell erholten als Männer.

Weniger akut, dafür langwieriger

Studienautor Chris Brightling vermutet, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der Immunreaktion dafür verantwortlich sind, dass Frauen eher unter länger anhaltenden Entzündungsreaktionen und Long-COVID-Symptomen leiden. Männer hingegen haben zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen schwereren akuten oder sogar tödlichen Verlauf, leiden aber seltener unter Langzeitfolgen.

Die Vermutung: Unterschiede bei den Genen und Hormonen könnten für die Unterschiede verantwortlich sein.

Autoimmunerkrankungen sind bei Frauen viermal häufiger als bei Männern. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Immunantwort bei Frauen sowohl wegen den Genen als auch den Hormonen stärker ist als bei Männern. Die zwei X-Chromosomen der Frauen besitzen Gene, die Autoimmunerkrankungen begünstigen.

Weniger Unterschiede nach der Menopause

Frauen haben zudem mehr Östrogen, welches Entzündungen verstärken kann, und höhere Mengen eines Proteins, welches zu einer Überreaktion des Immunsystem führen kann. Interessanterweise gleicht sich das Risiko für Long COVID zwischen Mann und Frau ab 60 Jahren an. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass Hormone eine Rolle spielen, weil bei Frauen nach der Menopause der Östrogenspiegel sinkt.

Es ist zweischneidig: Was Frauen vor einem schweren Verlauf schützt, begünstigt dafür anscheinend Langzeitfolgen.

In den USA hat die Immunologin Akiko Iwasaki einen Grossteil des vergangenen Jahres damit verbracht, die Unterschiede zwischen der Reaktion von Männern und Frauen auf das Sars-CoV-2-Virus zu entschlüsseln. Eine ihrer ersten Erkenntnisse war, dass T-Zellen – Immunzellen, die infizierte Zellen aufspüren und zerstören – in den frühen Stadien der Infektion bei Frauen viel aktiver sind als bei Männern. Die stärkere Reaktion der T-Zellen rettet den Frauen zwar das Leben. Sie kann jedoch das Immunsystem auch dazu bringen, sich selbst anzugreifen.

Dabei können sich Fragmente des Virus im Gewebe festsetzen. Womöglich lösen diese Fragmente Wellen chronischer Entzündungen im ganzen Körper und damit ein lang anhaltendes Syndrom aus, so Forscher Noah Greenspan, der Long COVID bei Studierenden in den USA untersucht hatte

Dass Männer trotz gleichem Infektionsrisiko eher schwere Symptome entwickeln, hospitalisiert werden und sterben, zeigten amerikanische Forscher bereits Ende 2020. Die Forscher erklärten sich den weiblichen Vorteil bei der akuten COVID-19-Erkrankung ebenfalls mit Geschlechtsunterschieden im Immunsystem.

Männer haben ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf bei COVID-19. An Langzeitfolgen leiden sie jedoch seltener.

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Hinweise auf Geschlechtsunterschiede sind bereits aus Studien zur chronischen Erschöpfung bekannt, welche bei Frauen viermal häufiger auftritt. Bei weiblichen Patienten wurde festgestellt, dass sie häufiger an autoimmunbedingten Beschwerden leiden, welche von neuen Allergien bis hin zu Muskelsteifheit und Gelenkschmerzen reichen – und meist ein ähnliches Symptomprofil aufweisen wie bei Long COVID. Es könnte sich hier also ein generelles Muster zeigen: Frauen sind aufgrund ihres Immunsystems besser vor schweren Infekten geschützt, haben dafür aber ein höheres Risiko, längerdauernde Beschwerden zu entwickeln.