Neue Coronavarianten: wir interviewen Prof. Dr. Milo Puhan

Neue Coronavarianten: wir interviewen Prof. Dr. Milo Puhan

Prof. Milo Puhan, Arzt und Epidemiologe, beantwortet uns Fragen zu den neuen Coronavarianten und wie wir uns diesen Herbst am besten verhalten.

Was wissen wir über die derzeitige Corona-Lage in der Schweiz?

In der Schweiz gibt es keine gute Überwachung über die Infektionsrate mehr, daher ist es schwer einen Überblick zu erhalten. Es ist aber bekannt, dass die neuen Varianten alle Omikron-Abkömmlinge sind von denen sich manche mehr durchsetzen als andere.

Die Infektionsrate scheint stetig zu schwanken, doch es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die neuen Varianten gefährlicher sein werden als die bisherigen. Wir beobachten Hospitalisierungen hauptsächlich bei Patienten mit Komorbiditäten und sehen kaum Fälle auf Intensivstationen oder schwere Verläufe bei der akuten Infektion.

 

Was ist über die neuen Varianten und Long COVID bekannt?

Derzeit können wir hauptsächlich Aussagen über akute Infektionen treffen. Die langfristige Auswirkung neuer Varianten lässt sich immer erst einige Zeit später beurteilen. Eine genaue Einschätzung wird daher erst in ein paar Monaten möglich sein. Ob die neuen Varianten mehr oder weniger Long COVID-Fälle hervorrufen, lässt sich noch nicht beurteilen.

Bei frühen Varianten liess sich das Risiko an Long COVID zu erkranken am besten mit einer Impfung vermindern.

Personen mit Impfungen erkrankten nach einer Infektion mit dem Wildtyp und anderen früheren Varianten seltener an Long COVID als Personen ohne Impfung. Die Evidenz ist aber weniger klar, ob die neueren Omikron Varianten an sich das Risiko für Long COVID senken, oder ob das heute weniger häufige Auftreten von Long COVID auch den Impfungen zuzuschreiben ist.

Die Entwicklung neuer Varianten kann auch einen Einfluss auf die Symptomatik von Long COVID Betroffenen haben. Nach einer Infektion mit frühen Varianten war wegen der schweren Verläufe oft auch die Lunge betroffen. Dabei handelt es sich aber wahrscheinlich eher um Schäden, die während der akuten Infektion entstanden sind. Da die akuten Infektionen mit den neueren Varianten schwächer verlaufen, sehen wir inzwischen meist nur noch typische post-virale Symptome wie Fatigue. Ansonsten ist das klinische Erscheinungsbild aber recht konstant.

Das Tragen von Masken gehört nach wie vor zu den wirksamen Massnahmen – hier erklären wir warum.

Was sollen vulnerable Personen und deren Kontaktpersonen tun?

Im Herbst und Winter können sich besonders vulnerable Personen wieder mehr schützen, indem sie in Menschenmengen auch mal zur Maske greifen. Die Maske bleibt die beste präventive Massnahme gegen COVID-19 Infektionen. Natürlich kann man sich auch testen, um sein Umfeld zu schützen. Derzeit werden die Kosten für Tests in der Schweiz jedoch nicht mehr übernommen und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich dies in den kommenden Monaten ändern wird.

Falls ihr gesundheitlicher Zustand es zulässt, können sich auch Menschen impfen lassen, die bereits von Long COVID betroffen sind. Ob eine Impfung sinnvoll ist, sollte jedoch mit den betreuenden Ärztinnen für alle Betroffenen individuell bewertet werden. Bisher ist unklar, ob eine erneute Infektion Long COVID verschlimmert oder nicht. Zur Auswirkung der Impfung auf den weiteren Verlauf der Symptome bei von Long Covid Betroffenen gibt es noch keine eindeutige Evidenz. Ich denke aber, falls es der Gesundheitszustand zulässt, ist man mit einer Impfung insgesamt kontrollierter unterwegs.

Für alle gilt es weiterhin die Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) zu beachten: sie empfiehlt die erneute Impfung gegen COVID-19 für vulnerable Personen, ähnlich wie bei den Empfehlungen zur Influenza-Impfung. Die Empfehlungen für Gesundheitspersonal unterscheiden sich jedoch: Während die Grippe-Impfung für Gesundheitspersonal empfohlen ist, wurde keine entsprechende Empfehlung zur COVID-19-Impfung ausgesprochen. Deswegen gilt hier auch wieder die Empfehlung bei erhöhtem Risiko Maske zu tragen.

 

Wir danken Professor Puhan für das Interview.

 

Puhan Milo Zh

Prof. Dr. Milo Puhan, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI), Universität Zürich

Prof. Milo Puhan ist Arzt und Epidemiologe. Er leitet das EBPI, ist Mitgründer der Corona Immunitas Initiative und Präsident der Swiss School of Public Health (SSPH+).

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