Während bei einigen Menschen mit Long COVID eine allmähliche Besserung eintritt und sie innerhalb weniger Wochen zu ihrem Gesundheitszustand vor der COVID-19-Infektion zurückkehren, kann sich die Genesung bei anderen länger hinziehen oder es können langanhaltende Symptome auftreten. Dauer und Schweregrad der Symptome können sehr unterschiedlich sein, so dass es schwierig ist, den weiteren Verlauf der Erkrankung vorherzusagen. Trotz umfangreicher Untersuchungen sind die genauen Gründe für das Fortbestehen der COVID-Symptome bei manchen Menschen immer noch nicht genau bekannt, was die Prognose zusätzlich erschwert. Dieser Artikel gibt einen Überblick über das, was derzeit über die Prognose von Long COVID bekannt ist, einschliesslich der Faktoren, die den Verlauf dieser Erkrankung beeinflussen.
Die Chancen auf eine vollständige Genesung nach einer SARS-CoV-2-Infektion sind geringer, wenn die Symptome länger als ein Jahr andauern.
Wie in einem früheren Blog berichtet, hat eine aktuelle Schweizer Studie gezeigt, dass sich 1 von 6 nicht geimpften Personen auch zwei Jahre nach einer SARS-CoV-2-Infektion nicht erholt hat. Obwohl bei den meisten Teilnehmenden dieser grossen Studie eine anhaltende Genesung oder eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustands zu beobachten war, kam es bei einem kleinen Prozentsatz zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands oder zu einem Wechsel zwischen Genesung und gesundheitlichen Problemen. Die Häufigkeit und der Schweregrad der COVID-19-bedingten Symptome nahmen im Laufe der Zeit ebenfalls ab. Jedoch berichteten etwa 18 % der Personen nach zwei Jahren immer noch über Symptome.
Eine weitere wichtige Beobachtung in dieser Studie war, dass sich die Symptome bei vielen innerhalb des ersten Jahres verbesserten, die Besserung danach aber stark abnahm. Diese langsame Besserung, die auf die Entwicklung langfristiger (chronischer) Gesundheitsprobleme hindeuten könnte, wurde auch in anderen Studien beobachtet.
Müdigkeit und neurokognitiven Beeinträchtigungen als Symptome sind Faktoren, die die Erholung des allgemeinen Gesundheitszustands eines Patienten beeinträchtigen.
In einer grossen französischen Studie berichteten 85 % der Teilnehmer, die zwei Monate nach der Infektion symptomatisch waren, auch noch ein Jahr nach Beginn ihrer Symptome. Die Ergebnisse zeigten auch, dass ein Drittel der Personen, bei denen die Symptome vollständig verschwunden waren, einen Rückfall oder ein erneutes Auftreten von mindestens einem Symptom während des 12-monatigen Beobachtungszeitraums erlebten. Die Studie lieferte darüber hinaus interessante Informationen über Symptommuster im Zeitverlauf. Während die Häufigkeit einiger Symptome wie Appetitlosigkeit, Geschmacksveränderungen und Husten allmählich abnahm, traten einige Symptome während der gesamten Studie häufig auf, zum Beispiel Wortfindungsprobleme und Kurzatmigkeit. Das Auftreten anderer Symptome nahm sogar zu, darunter Nacken- und Rückenschmerzen und Parästhesien. Obwohl die negativen Auswirkungen der Symptome anfangs abnahmen, gab es einen raschen Anstieg der Zahl an Personen, die nach sechs Monaten über einen inakzeptablen Krankheitszustand berichteten.
Mehrere andere Studien ergaben ähnliche Ergebnisse. Vor allem Müdigkeit und neurokognitive Beeinträchtigungen wurden als wesentliche Faktoren ermittelt, die die Erholung der allgemeinen Gesundheit beeinträchtigen. In einigen Studien wurde sogar festgestellt, dass sich diese Symptome innerhalb eines Jahres überhaupt nicht verbessern, was darauf hindeutet, dass sie bei einem bestimmten Anteil der Menschen mit Long COVID als chronisches Gesundheitsproblem fortbestehen könnten.
Jüngeres Alter, männliches Geschlecht, mildere Anfangssymptome, Impfung und Infektion mit der Omicron-Variante waren mit einer besseren Prognose verbunden.
Die Analyse des Gesundheitszustands im Laufe der Zeit ergab, dass die Symptome und die Genesung bei verschiedenen Personen unterschiedlich verlaufen. Im Einzelnen waren die Teilnehmenden, bei denen sich die Symptome im Laufe der Studie verschlechterten oder auftraten, eher 65 Jahre oder älter, hatten Grunderkrankungen, litten unter Post-Exertional Malaise (Unwohlsein nach Anstrengung, sogenannte «Crashs») und hatten bereits vorher unter Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Problemen mit der allgemeinen Gesundheit gelitten.
Neben dem Alter wurden in einem vorläufigen wissenschaftlichen Bericht (Preprint) auch andere Faktoren aufgeführt, die die Erholung von Long COVID beeinflussen. In dieser Studie fanden die Forscher heraus, dass eine bessere Genesung mit männlichem Geschlecht, jüngerem Alter, milderen anfänglichen Long-COVID-Symptomen, vollständigem Impfstatus und einer Infektion mit der Omicron-Variante verbunden war. Vor allem Symptome wie kognitive Beeinträchtigungen («Brain fog») und Kurzatmigkeit wurden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Genesung in Verbindung gebracht, während Gedächtnisstörungen, Müdigkeit und Schwindel keinen signifikanten Zusammenhang mit der Symptomlösung zeigten.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass Menschen mit vorhergehenden Gesundheitsproblemen nach einer SARS-CoV-2-Infektion eher negative gesundheitliche Folgen hatten als Menschen ohne frühere Gesundheitsprobleme. So berichteten einige Studien, dass Menschen, die sich nur langsam erholen, eher an systemischen Vorerkrankungen leiden, z. B. an rheumatoider Arthritis, als solche die sich schnell erholten.
Die Vorhersage des Verlaufs bei Long COVID ist aufgrund der Vielfalt der Symptome und des Mangels an Langzeitdaten schwierig.
Long COVID kann verschiedene Symptome hervorrufen, die sich auf unterschiedliche Bereiche des Körpers auswirken, z. B. auf die Atemwege, das Herz-Kreislauf-System, das Nervensystem und den Bewegungsapparat. Da bei Menschen mit Long COVID verschiedene Symptome gleichzeitig auftreten können, ist es schwierig, eine einheitliche Methode zur Bewertung der Symptome und zur Vorhersage des Verlaufs dieser Erkrankung zu entwickeln. Darüber hinaus gibt es aufgrund des begrenzten Zeitraums seit der ersten Beobachtung der Long COVID-Erkrankung nur wenige Langzeitstudien.
Die meisten in diesem Artikel erwähnten Studien verwendeten Bewertungsskalen oder Fragebögen, die nicht speziell für Long COVID validiert wurden. Weitere Forschung ist notwendig, um genauere Bewertungsinstrumente zu entwickeln, die in der klinischen Praxis eingesetzt werden können. Die Einbeziehung von validierten Fragebögen wird dazu beitragen, die Symptome, insbesondere die kognitiven, besser zu definieren, was auch die Prognose verbessern kann.