Der Zusammenhang zwischen dysfunktionaler Atmung und Kurzatmigkeit

Der Zusammenhang zwischen dysfunktionaler Atmung und Kurzatmigkeit

Eine Schweizer Studie zeigt erstmals, dass eine dysfunktionale Atmung ohne Hyperventilation ein bedeutender klinischer Faktor für lang anhaltende Kurzatmigkeit bzw. Dyspnoe bei jüngeren Patienten mit Long COVID sein kann.

Kurzatmigkeit, manchmal auch Luftnot genannt, ist ein häufiges Symptom des Long COVID-Syndroms und kann nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion monatelang anhalten. Einer der Gründe für anhaltende Kurzatmigkeit ist eine dysfunktionale Atmung, d. h. ein Atmungszustand, der als abnormes Atemmuster in Ruhe oder bei Belastung beschrieben wird. Die bekannteste Form der dysfunktionalen Atmung ist das Hyperventilationssyndrom. Bei gesunden Menschen kann es nach schwerer körperlicher Anstrengung oder aufgrund von Stress zu kurzfristigen Atemstörungen kommen. Chronische Veränderungen des Atemmusters können durch Infektionen verursacht werden, z. B. mit SARS-CoV-2, was zu anhaltender Kurzatmigkeit führen kann. Da wir noch wenig über Atemstörungen im Zusammenhang mit Long COVID wissen, wurde in einer kürzlich durchgeführten Schweizer Studie eine Gruppe von Patienten mit Long COVID und anhaltender Kurzatmigkeit untersucht.

Lange COVID-Patienten aus zwei Schweizer Kliniken

Diese retrospektive Studie umfasste 51 erwachsene Patienten, die mehr als sechs Wochen nach einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion unter Atemnot litten und in die Long-COVID-Ambulanzen des Hôpital du Valais und des Hôpital Riviera Chablais in der Schweiz überwiesen wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 64 Jahre, zwei Drittel waren Männer. Alle Patienten unterzogen sich einem kardiopulmonalen Belastungstest (CPET) auf einem Fahrradergometer, bei dem die Leistung von Lunge und Herz in Ruhe und unter Belastung gemessen wird. Die Patienten füllten außerdem Standardfragebögen aus, um Angstzustände und Depressionen sowie ihre Lebensqualität zu bewerten.

Mehr als 200 Tage nach der SARS-CoV-2-Infektion wurden Atemprobleme beobachtet.

Atemstörungen sind bei Patienten mit Long COVID häufig

Die Ergebnisse des CPET zeigten, dass bei etwa 30 % der Patienten (n=15) eine dysfunktionale Atmung diagnostiziert wurde. Bei diesen Patienten waren sowohl die Atemfrequenz als auch die Menge der ein- und ausgeatmeten Luft (d. h. das Tidalvolumen) während der Belastung im Vergleich zu gesunden Personen unterschiedlich, die meisten von ihnen hyperventilierten aber nicht. Die nachstehende Abbildung zeigt die Atemfrequenz (violette Punkte) und das Tidalvolumen (gelbe Punkte) bei Patienten mit Atemstörungen und gesunden Personen. Viele Patienten litten auch unter Luftnot und Seufzen in Ruhe sowie unter tiefem Seufzen und Gähnen bei körperlicher Anstrengung. Trotz dieser erheblichen Atembeschwerden hatten die Patienten eine normale körperliche Leistungsfähigkeit.

Von anderen in die Studie einbezogenen Patienten hatten 28 eine Atemwegseinschränkung, was bedeutet, dass aufgrund einer Störung des Sauerstoff- und Kohlendioxidaustauschs in der Lunge nur eine geringere Luftmenge ein- oder ausgeatmet werden kann. Eine kleine Gruppe von 8 Patienten hatte normale CPET-Ergebnisse, aber einen niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut (Hypoxie) aufgrund von Gasaustauschstörungen.

 

Patienten mit dysfunktionaler Atmung

Breathing Frequency, Tidal Volume Long Covid Patients

Gesunde Personen

Breathing Frequency, Tidal Volume Healthy Individuals

BF, Atemfrequenz; VE, minütliche Ventilation, VT, Tidalvolumen (Luftmenge, die während eines Atemzuges in die Lunge ein- oder ausgeatmet wird)

 

Was trägt diese Studie zum vorhandenen Wissensstand bei?

Diese Daten sind wichtig, da es sich um die erste Studie handelt, in der bei Patienten mit langanhaltender Kurzatmigkeit nach einer SARS-CoV-2-Infektion eine dysfunktionale Atmung ohne Hyperventilation festgestellt wurde. Die Schweizer Forscher merkten jedoch an, dass diese Ergebnisse in größeren Studien weiter untersucht werden müssen.

Eine weitere wichtige Beobachtung dieser Studie ist, dass die Patienten mit einer gestörten Atmung keine Anzeichen einer Lungenerkrankung aufwiesen, die Kurzatmigkeit verursachen könnte. Eine der Erklärungen ist, dass sich die SARS-CoV-2-Infektion auf das Atemzentrum im Gehirn ausbreiten und die Atemkontrolle stören könnte. Die Autoren betonen, dass es sich bei dem Zusammenhang zwischen Atemstörungen und der Beteiligung des Atemzentrums bei COVID-19-Patienten lediglich um eine Hypothese handelt, die durch weitere Studien überprüft werden sollte.

Fast 40 % der Patienten bewerteten ihre Angstzustände mit einem Wert von >7, was auf eine mögliche oder sichere Angst hinweist.    

Die Auswirkungen auf die klinische Praxis

Diese Studie trägt zu einem besseren Verständnis der Dyspnoe bei Patienten mit Long COVID bei. Obwohl die Patienten mit Atemstörungen einen normalen Sauerstoffverbrauch hatten, berichteten sie über eine verminderte Lebensqualität aufgrund der Auswirkungen der Krankheit. Wie die Autoren betonten, deuten diese Daten darauf hin, dass eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit das Gefühl der Kurzatmigkeit bei dieser Patientengruppe nicht lindern kann. In der Praxis sollten Rehabilitationsprogramme daher spezifische physiotherapeutische Interventionen beinhalten, die auf die Kontrolle der Atmung abzielen.